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Mund, schwenkte die Mütze und verschwand.“ Darauf packte ihn eine mächtige Gemütsbewegung. Während er mit Eltern, Freun­den und Brüdern am Abendtische saß, mußte er aufspringen, in den Garten gehen, um seine Tränen zu verbergen. „Die Nacht weinte ich mehr, als daß ich schlief. Früh 3 Uhr wurde aufgebrochen. Der Vater, der mich geweckt hatte, schloß mir noch das Haus auf, ich umarmte ihn noch einmal, drückte ihm stark die Hand und eilte um die Ecke. Es war eine schöne Mondennacht. Auf der Brücke erwartete mich Wilhelmi, und wir gingen nun schnell zusammen fort. Ich hatte die teuere Guitarre umgehängt, die ich öfters mit Tränen in den Augen an das Herz drückte. In Bühlau tranken wir bei Mondenschein Kaffee, um 7 Uhr traf ich wieder in Arnsdorf ein.“

Brachten solche Tage neben neuen Freuden sicher auch neue Schmerzen, so boten die amtlichen Vorgänge noch ganz be­sondere Aufregungen. Der Inspektor, den der Oberstleutnant Leonhardi über die jungen Vermesser gesetzt hatte, war ein un­angenehmer Herr, hämisch, hart und wohl nicht ganz offen. Er war mit dem Fortgang der Arbeiten nicht zufrieden, vielleicht zum Teil mit Recht, obwohl die Angestellten selbst von Anfang an kein Zutrauen zu seiner Leitung gehabt hatten. „Wir behielten zuletzt auch recht, denn der Inspektor wurde abberufen, und nicht im Sinne der Beförderung.“ Der entschlossene Sinn der „Brigade“, wie Gustav Rachel mehrere Male alle Angestellten zusammen nennt, offenbarte sich in diesen Kämpfen sehr deutlich, und wir sagen mit Lessings Nathan: „Ich mag ihn wohl, den guten, trotz’gen Blick! den drallen Gang!“ Zu seiner inneren Erleichterung hat er die Art, wie er gegen den mit faunischem Lächeln ihn anschuldigenden Inspektor aufgetreten ist, seinem Tagebuch anvertraut; nicht so völlig, denn ihn quält die Sorge, daß dieses ihm so teuere auch einmal in „Schurkenhände“ kommen könnte. Einst eröffnete der „Gott sey bei uns“, so nennt er ihn wohl auch, den jungen Leuten, die in Reih und Glied vor ihm stehen: Ob­gleich sie die besten drei Arbeiter wären, hätten sie bei weitem nicht genug gearbeitet: sie seien saumselig, ungehorsam und Gott weiß was gewesen; das Direktorium habe beschlossen, sie auf 20 Tlr. monatlich herabzusetzen. Ferner warf er ihnen ihr

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/172&oldid=- (Version vom 14.3.2024)