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paar tüchtige Grobheiten aufhalsen mußte; eins der jungen Mädchen weinte gar sehr, als der vollgeladene Kahn über das Wasser dahinschwankte. In Blasewitz gab es Abendtafel und hinterher lustiges Spiel. Bei herrlichstem Wetter gehen sie noch zu Fuß nach Haus. Schnell schreibt der junge Mann in sein Tagebuch und ruft zuletzt: „Gute Nacht derweile! Ihr Leute, weckt mich murgen bei rachter Zeit, murgen da giht’s nach Raberg“ – ein Beweis, wie er die Lausitzer Töne schon ge­wöhnt geworden ist.

Romantischer wird sein Bericht, wenn er wieder einmal, von all seinen kleinen Berufsnöten sich erholend, mit den von ihm geliebten Menschen zusammen sein darf. Nach fröhlichem Mittag­essen wanderten die befreundeten Familien aufs „Bad“; eben hörte er noch, heiter und glücklich, die Töne eines Straußschen Walzers, da stürzte der jüngere Bruder in den Saal und meldete, daß der Wagen der Wallroder Hausleute, mit dem er herein­gefahren war, vor der Türe stehe. „Ich nahm schnell Abschied, stürzte zum Tore hinaus und sprang in den Wagen.“ Ein andermal, als er schon etwas weiter, in Arnsdorf, stationiert war, fuhr er Sonnabends zum Ball herein, tanzte bis 4 Uhr früh, ging nach Haus, zog sich um und eilte dem Vater, der am Sonntagmorgen zum Vogelherd hinter dem Waldschlößchen ge­gangen war, nach; aber es wurde ein schlechter, regnerischer Tag und daher nichts gefangen.

Der 11. Oktober 1835 war ein besonders schöner Tag. Im Hause wurde der 85. Geburtstag der würdigen Großmutter gefeiert; es sollte ihr letzter sein. Nach dem heiteren Mittags­mahle schlich sich der Gustav zur befreundeten Familie Blöde hinüber und klagte der einen, ihm besonders teueren Tochter, daß er draußen soviel entbehren müsse, besonders die Musik, da er nicht einmal spielen könne. Sogleich bot sie ihm ihre Gitarre an, er sollte sie mitnehmen. „Ich ließ mich nicht lange bitten, fragte sie nur noch einmal ernstlich, ob sie nicht spiele; als sie verneinte, nahm ich es an. Beim Abschiednehmen brachte sie mir die Guitarre; ich hielt sie hoch in meiner Hand und rief: „Ich halte sie heilig!“ Dann stürzte ich zum Zimmer hinaus. Da blickten sie mir noch nach; ich drückte die Guitarre an den

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/171&oldid=- (Version vom 14.3.2024)