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die Brüder oder Dresdner Freunde herauskamen und den Sonn­tag mit ihm verbrachten, oder wenn ein Ball, eine Familien­einladung ihm erwünschte Veranlassung gaben, Sonnabend nach Dresden hineinzufahren oder gar zu laufen. Mit welcher Seligkeit saß er dann im vertrauten Familienkreise, scherzte und tanzte mit den Freundinnen der Jugend, besonders aus den Familien des Kammerrat Nitzsche und der verwitweten Frau Geheimfinanzrat Blöde, deren drei durch äußere Schönheit auf­fallende Töchter gar viele junge Leute anzogen. All diese Er­lebnisse der schönen Sonntage vertraute der junge Mann entzückt, ja gelegentlich verzückt dem geliebten Tagebuch an, das er in seiner Einsamkeit auf dem Lande geradezu seine einzige Freude nennt. Durch die Arbeit verhindert zu sein, an ihm weiterzuschreiben, verursacht ihm wirklich Betrübnis.

Aus diesen Jugenderlebnissen eines jungen Technikers vor nun 80 Jahren seien romantisch-schwärmerische Erlebnisse, aber auch unangenehme amtliche Zusammenstöße berichtet. Zunächst eine Landpartie vor 80 Jahren – ein Sonnenblick genau wie in unseren Tagen.

Am Mittwoch vor Himmelfahrt, den 27. Mai, waren die jungen Leute wieder einmal nach Dresden gewandert, und der junge Rachel ging, nachdem er mit den Eltern zu Abend gegessen, mit seinen Freunden „noch um die Stadt spazieren“, d. h. die Promenaden um die Altstadt. Donnerstag früh 7 Uhr kam ein großer Wagen, und Rachels, Blödens, Nitzsches samt etlichen jungen Leuten stiegen ein. Die Fahrt ging nach Pillnitz, das, weil eben doch etwas weit gelegen, unter den Ausflügen selten erwähnt wird. Man lachte und sang lustige Weisen. In Pillnitz sah man sich alles an, z. B. auch die Kapelle. Zu Fuß ging es über die Ruine oder Eremitage nach dem Porsberg, allwo zu Mittag gegessen wurde. Im Regen ging es nach Marschendorf und Krieschendorf. Während der gezwungenen Einkehr wurde der Stadtrat Rachel zum König, eine der Blödeschen Töchter zur Königin des Festes gewählt. Schöne Stunden ver­lebten die jungen Leute in der Keppmühle und – Arm in Arm – auf der Wanderung über Wachwitz nach Loschwitz. In Loschwitz gab es Streit mit dem Fährmann, dem der Vater Rachel ein

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/170&oldid=- (Version vom 14.3.2024)