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namens Zumpe. Schon bei der Einfahrt in das Gebirge hatte er den Onkel Ferdinand, der in Annaberg ein „Gewölbe“ und zwar ein Schnittwarengeschäft besaß, gesehen. Als die Reise von Wolkenstein über das romantisch gelegene Wiesenbad führte, gingen die jungen Leute, um es den Pferden zu erleichtern, wieder einmal zu Fuß, bestiegen auch dabei die „Bastei“ mit ihrer schönen Aussicht. Auf der Straße nach Annaberg zu sah er aus dem Wagen von weitem eine Gestalt kommen, die ihn gar sehr an den Onkel Ferdinand erinnerte. Er war es auch wirklich. Sogleich sprang der Neffe erfreut aus dem Wagen und eilte auf ihn zu. Er wollte ins Wiesenbad gehen, um das Wasser zu gebrauchen. Freundliche Einladung, nach Annaberg zu kommen, erfolgte bei dem herzlichen Abschiede. Fünf Wochen später am 26. Juli machte sich der Herr Vermessungsvolontär früh um 5 Uhr auf, um den geplanten Besuch auszuführen. An guter Aufnahme fehlte es nun wahrlich nicht. Obwohl die ganze Familie in der Zwischenzeit die Masern gehabt hatte, war der Onkel lustig und vergnügt. „Wir tranken zum Frühstück eine Flasche Würzburger Wein und aßen Annaberger Johannes­kuchen; es war gerade Annaberger Jahrmarkt. Zu Mittag aß ich mit dem Onkel allein, und zwar Forellen, denn die Tante mußte statt des Onkels im Gewölbe sein“. Auf dem Rückweg ging er mit seinem Hausnachbar Vogel aus Sachsenfeld wieder über Schlettau und Raschau dahin zurück. Sie waren sehr lustig, so daß ihnen die Stunden wie im Fluge vergingen. Da­zu begegneten sie in „Rasche“ noch ganzen „Mädelkolonnen“, die zu necken einen Heidenspaß abgab.

In den letzten Augusttagen wurde, sobald es die immer noch regnerische Witterung erlaubte, eifrig gearbeitet. Als am 2. September bei günstiger Witterung in frühster Morgenarbeit das Letzte fertig gebracht worden war und nun noch einmal ein gewaltiger Regen einsetzte, da kehrte der junge Mann, ein fröh­liches Lied singend, ins Dorf zurück, siegelte sein Menselblatt ein und trug es im prächtigsten Wetter nach Schwarzenberg auf die Post. Überall wurde Abschied genommen, die Sachen ge­packt, und unter freundlicher Begleitung ihm lieb gewordener Menschen verließ er früh 5 Uhr Sachsenfeld und dessen Um­gebung.

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/164&oldid=- (Version vom 14.3.2024)