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wurden, wenn es auch z. B. im Wesenitztale einmal wüst war wie im „wilden Amerika“ und mittags im Dorfgasthof der Löffel im Wasserbrei stecken blieb und in einer Mühle als Nachtquartier vor heftigem Gepolter am Morgen wenig geschlafen werden konnte. Um so interessanter, wenn am Tage vielmal durch die Wesenitz, durch tiefe Gräben oder Löcher gewatet und gestiegen werden mußte. Ein andermal ging es ins „Gebirge“, über Tharandt, Grillenburg, Naundorf nach Freiberg zu Auf­nahmen um Großschirma, mit Vorspann nach Frauenstein, aufs Kammergut bei Rechenberg. Frauenstein als Geburtsort des lieben Vaters mit seiner interessanten Ruine fesselte sehr; über Dippoldiswalde wanderte er zurück. Ein andermal wurde der Auftrag erteilt, den Moritzburger Tiergarten zu vermessen. Mit allem nötigen Gezeug bewaffnet, zog man zu Fuß hinaus; das Quartier wurde im Gasthof Au bon marché aufgeschlagen, in dem es, wie seinerzeit in Meißen, auch polnische Leute gab. Nach getaner Arbeit wurde die Umgebung durchschweift, Fasanen­schlößchen, Wildfütterung und Auerhaus besichtigt. Sehr un­zufrieden sind die jungen Leute, als ihnen das Kahnfahren aus dem Schloßteich abgeschlagen ward. Nach wenigen Tagen ist ihr Auftrag ausgeführt; mit Halleluja ziehen sie in den Gasthof ein, um am folgenden Tage wieder zu Fuß nach Dresden zurückzuwandern. Als nun der Kammerrat von Schlieben die Arbeit gemustert und für gut befunden hat, da setzt der Tagebuchschreiber ein fröhliches „Juchhe“ in seine Blätter.

Ein ganz besonderer Tag war noch der 13. Juni 1833. Der Oberinspektor Lohrmann hatte eine Messung vom Frauenkirchturm vorzunehmen und sich dazu den jungen Rachel als Gehilfen genommen. Es sprach sich, wie es schien, in den Bekanntenkreisen der Familie herum, und so stiegen denn der Kämmerer Schnabel und mehrere andere Freunde hinauf. Nach­mittags stiegen sogar die würdigen Eltern mit Onkel Zumpe aus Neustadt auch hinauf. Dieser fürchtete trotz der Sommerwärme eine Erkältung in der ungewohnten Höhe, denn er „workste“, wie es hier gut Dresdnerisch heißt, ein Tuch um den Hals. Der Vermessungspraktikant hatte sich den Regenschirm mit hinaufgenommen, um ihn – gegen die Sonne zu gebrauchen.

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/158&oldid=- (Version vom 13.3.2024)