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und Bauermädel, die vom Hofe kamen. Einer fragte sie, warum sie so viele Stöcke mithätten; sie antworteten: „Um Euch Städter durchzuhauen“. Da fragte er selbst höchst trutziglich: „Wer wagt es, sich mit mir zu messen? Der komme her! Mit blauen Flecken soll er davon kommen!“ und rannte ihnen mit aufgehobenem Stocke hintennach, worauf sie alle davon liefen und schrecklich brüllten. Nahe bei Stolpen kam ihnen eine Extrapost nach­gefahren, in der Bekannte saßen, die sie mitnahmen.

In Neustadt blühen nun alle Herrlichkeiten, die sich so ein 15 1/2 jähriger Junge denken kann. Die Tante war am „Pfingstheiligabend“ schon früh um 4 Uhr zum Bäcker gegangen, um Festtagskuchen zu backen. Täglich trinkt er zu Mittag mit dem Onkel 2–3 Glas Wein. Wie schmeckten die „selbstgebackenen“ Käsekäulchen dazu! Bei ihm meldet er sich, „er dürfe rauchen“, d. h. auf der technischen Schule und in der Bauschule war in den Schulgesetzen nichts darüber gesagt, während es, wie oben erwähnt, in der alten Lateinschule sehr streng genommen wurde. Der Onkel bot dem Neffen darauf selbst eine Pfeife an, und abends setzte sich Gustav mit der langen Pfeife vor die Haustüre.

Mit alten und neuen Freunden tollte er nun im Städtchen und in der Nachbarschaft herum. Einmal gab es einen Ausritt hoch zu Roß bis Burkersdorf; auf einer Fahrt nach Böhmen zu durfte er die Zügel führen.

Blieben sie im Ort, dann gab es zwischen den jungen Leuten eine tüchtige Keilerei, nachdem sie sich über den Wert oder Unwert der von ihnen besuchten Schulen tüchtig gezankt hatten. Müde davon gingen sie in des Postmeisters Scheune, setzten sich behaglich in einen Eilpostwagen und hielten ein Schläfchen.

An einem der Festtage ging es in die Kirche, und er durfte mit Akzisinspektor Zumpes mit in der Fürstlich Reußischen Kapelle sitzen und bewunderte die sehr schönen Demoiselles Hirschhorn. Nach einem tüchtigen Spaziergang gab es eine Milchkaltschale; am Abend aber wurde auf den Stadtwiesen mit seinen Freunden ein tüchtiges Feuerwerk abgebrannt.

Es kam der Abschied mit Schokolade und Kuchen! Der Onkel stiftete ihm einen Meißner Kopf, ein Knie und ein Rohr zu einer Pfeife. Bis Stolpen fuhr er in Onkels Wagen. Dann

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/153&oldid=- (Version vom 13.3.2024)