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und so auch beim Mittelpunkt der Standlinie, wo sich alle drei Schnitte dann in einen Punkt köstlich vereinigten“.

Häufig war ganz schlechtes Wetter, und es mußte alles ein­gepackt werden, was mühselig herausgeschleppt worden war. Da aber jeden Tag Revision durch den Kammerrat von Schlieben zu erwarten war, wurde so fleißig als nur möglich gearbeitet. Ja, bis in die Träume hinein verfolgte den jungen Menschen die Sorge um die Arbeit. Einmal schrie er des Nachts laut auf und klagte, daß sie sich verlaufen hätten und nichts Ordentliches fertig werde. Da rief ihm der Kollege aus dem Bett herüber: „Herr Rachel, besinnen Sie sich doch; wir liegen im blauen Stern im Bette!“ Gar oft mußten sie über die Elbe hinüber. Nicht immer fanden sie sogleich jemand trotz häufigem „Hol über“. Oft waren auch die Kähne voll Wasser, der Überfahrende unkundig, so daß sie selbst das Ruder und den Staken nehmen mußten. Gut fuhr sie einmal ein „Pomätzschel“ über.

Gar manches in der Stadt wurde gelegentlich besucht, be­trachtet. Ein Jahrmarktstag brachte „fürchterlichen“ Trubel, auch den Aufzug der Kommunalgarde. Im Dome wohnte er am Bußtag einer Predigt bei, zu der ganze 18 Menschen sich ver­sammelt hatten. Zum Karfreitag waren es wenigstens 30; so langweilig ihm die Predigt war, so köstlich erschien ihm die Kirche. Besser besucht war eines Sonntags die Afrakirche. Ein­gehend wurde die Porzellanmanufaktur betrachtet, die damals noch im „Schlosse“ war. Interessant war den jungen Leuten die Maschine, mittelst deren das Holz durch einen langen, zum Teil unterirdischen Gang nach der Fabrik gebracht wurde. Kurz bevor sie Meißen verließen, sahen sie sich auch noch die Porzellan­niederlage an und kauften sich Pfeifenköpfe zum Andenken.

Noch umschloß die Mauer das alte Meißen; auf ihr spa­zierten die jungen Leute gelegentlich und schmauchten ihr Pfeifchen dabei. Wenn sie später als 10 Uhr vom Buschbade oder sonst von einem Ausflugsort her zurückkehrten, fanden sie das Stadt­tor schon geschlossen, und sie mußten „den Alten“ herauspochen. Höhepunkte ihres Aufenthaltes waren wohl die Besuche des Vor­sitzenden der Plankammer, des Herrn Kammerrat von Schlieben. Sie gingen ihm, wenn er angekündigt war, bis Cölln entgegen

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/150&oldid=- (Version vom 13.3.2024)