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ihm von der guten Laufbahn eines Wasserbaubeamten vorgeredet, und etliche Tage beschäftigte er sich eifrig mit diesem Gedanken, lief zum Onkel, der im Finanzministerium als Jurist arbeitete, bat den Vater, sich bei den Amtsvorständen zu erkundigen. Der Gedanke wurde dann aber fallen gelassen. Im Jahre 1832 klang zum ersten Male das Wort „Ingenieur“ an sein Ohr; ein älterer Mann, dem er sich in seinem Drängen und Streben wohl offenbart haben mochte, sagte zu ihm, er sehe ihn schon im Geiste in der Ingenieursuniform. Der Tagebuchnotiz fügte der junge Mann hinzu: „Ich dachte: oh, wollte Gott, es wäre so!“

Montag den 2. Januar 1832 hatte ihn sein Vater auf die Plankammer im Finanzministerium geführt. Er besuchte von nun an die Bauschule nicht mehr, sondern beschäftigte sich eifrig mit Zeichnen und Mathematik, in der er bei seinem geliebten Lehrer Schubert wöchentlich drei Privatstunden nahm. Kammer­rat von Schlieben, der der Plankammer vorstand, schickte ihn und seinen Kameraden Preßler häufig auf Feldmessen, teils im Umkreise von Dresden, teils auf benachbarte Fluren, so im Januar 1832 nach Marsdorf und Schönfeld zu. Am 26. Januar zogen beide mit 2 Burschen, 54 Pfählen und 2 Signalstangen vor den Löbtauer Schlag, um Bauplätze abzustecken, westlich von der Schäferei, rechts und links der Straße.

Bei weitem fesselnder, als solche kleinere Fahrten, war für den noch nicht siebzehnjährigen Jüngling eine Vermessungsreise nach Meißen. In der Begleitung eines älteren Zeichners fuhr er in einem von einem Bauern aus Kötzschenbroda gestellten Vorspannwagen nach Meißen. Der erste Blick auf Stadt und Schloß entzückte ihn; die Verhunzung des Domes aber durch Aufsetzen des sogenannten „Schafstalles“ ärgerte ihn. In Zitzschewig wurde gefrühstückt, bei Oberspaar hatten sie, um ein Haus herumbiegend, den vollen Anblick der Stadt. Sie stiegen im blauen Stern ab, suchten alsdann geeignetes Quartier, unterhalb der Stadt, womöglich nahe der Elbe, weil es ihre Aufgabe war, das Klostergut, das Schulholz abzumessen. Aber da nirgends etwas Passendes zu finden war, selbst nicht in der damals be­liebten Wirtschaft zur Drossel, mußten sie im Stern bleiben. Die Stube gefiel ihnen zunächst nicht, denn sie erhielt des Nachts

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/148&oldid=- (Version vom 13.3.2024)