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nach den Schulstunden Graben, Jäten und Pflanzen im Garten am Hause oder beim Freunde eine ganz besonders liebe Be­schäftigung, lieber sicher als Lateinisch lernen. Dazu kam, daß er etwas Keckes, Entschlossenes in seinem Wesen hatte und sich wohl manchmal durch allerhand harmlose „Streiche“ das Wohl­wollen der Lehrer verscherzte. Er wurde nach kurzer Zeit der Überlegung der technischen Bildungsanstalt anvertraut. An die Stelle der fremden Sprachen, der Disputationen über Stoffe aus der alten Welt, sowie der Dichtungen in der Muttersprache treten andere Stoffe, die sich wohl kurz zusammenfassen lassen in die Worte: Zeichnen und Mathematik! Verlust auf der einen Seite, Gewinn auf der anderen. Der Gewinn bestand hauptsächlich darin, daß er zeitiger als der Gymnasiast einen Blick in Welt und Menschen tat, näheren Anschluß an seine Lehrer fand, die seine persönlichen Führer wurden, eine frühe Selbständigkeit erlangte, ein kräftiges Selbstbewußtsein empfand. In jungen Jahren kam er dann hinaus ins Leben, mußte dies in unruhigem Wechsel verbringen: in der kleinen Stadt oder auf dem Dorfe. Immer aber kehrte er gern in die größere Stadt, vor allem in das liebe Vaterhaus, zu den Freunden und Freundinnen der goldenen Jugendzeit zurück.

Es war damals für die Söhne Dresdner Bürger noch nicht allzulange her, daß sie eine Vorschule für höhere praktische Be­rufe in ihren Mauern hatten. 1814, also noch ehe für den kleineren Teil Sachsens die alten Verhältnisse zurückkehrten, wurde an die schon seit fast 50 Jahren bestehende Akademie der bildenden Künste eine sogenannte Industrieschule angefügt. Sie sollte im Zeichnen für mechanische Gewerbe ausbilden, für Fabrik und Handwerk. Ihr wurde 1818 eine Bauschule angehängt, die im Winter von jungen Baubeflissenen unentgeltlich besucht werden konnte. Eine Erweiterung und eine Vertiefung für den Bildungsgang solcher jungen Leute brachte 1823 die Erlaubnis des Königs, die Vorträge der an der chirurgisch-medizinischen Akademie im Kurländer Palais angestellten Professoren in Chemie, Physik, Mathematik und Naturwissenschaften zu hören. Die Regierung war dabei sehr entgegenkommend: Prüfung wurde nicht verlangt, etliche Vorkenntnisse wurden aber vorausgesetzt.

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/138&oldid=- (Version vom 8.3.2024)