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zwar der Prinz-Mitregent bei der Veröffentlichung der Beschlüsse die Gerechtsame seiner Landstände ausdrücklich verwahrte, die Minister aber große Ängstlichkeit zeigten. Hatte doch die Sachsen­zeitung schon den Bund mit Frankreich gegen die Großmächte empfohlen! Verbreitete doch im Vogtlande ein neugebildeter Preßverein radikale Schriften! Und mehr noch: in der Dres­dner Adligen Ressource hatte Otto von Watzdorf einen Protest gegen die Sechs Artikel zur Unterzeichnung ausgelegt.

Mit dieser ehrlichen Erregung stand in starkem Widerspruch der vom Wirte des bekannten Hotel Stadt Berlin in Leipzig ge­äußerte Wunsch, daß der Bundestag, wie eine ziemlich ver­läßliche Nachricht melde, nach Leipzig verlegt werden solle. Dies werde der Stadt und den Bürgern bedeutend mehr einbringen. Diesem kahlen und wohl nicht ganz sichern Nützlichkeitsstandpunkte hielt der junge Rachel entgegen, daß dies auf die Universität Leipzig den übelsten Einfluß ausüben werde, teils auf die Pro­fessoren, teils auf die Studenten, denn die Wohlhabendsten unter diesen seien Fremde (darunter damals Nichtsachsen gemeint!); um dem bestimmt eintretenden Drucke ihrer Gesandten zu ent­gehen, würden diese größtenteils fortgehen. Diese Ansicht zeugt erstens von dem großen Mißtrauen, das die Jugend jener Zeit der obersten diplomatischen Vertretung des „deutschen Vater­landes“ entgegenbrachte, zweitens aber von dem scharfen Blick des jungen Mannes. –

Eifrig nehmen die jungen Leute, die auf ihrer Dresdner Kreuzschule wahrhaftig nicht zur körperlichen Betätigung an­gehalten worden waren, muskel- und augenstärkende Übungen vor. Tüchtig fochten sie auf verschiedenen Buden in höchster Begeisterung, und mancher „Rappierjunge“ wurde ausgemacht. Außerdem schlossen sie sich einer Exerzierschule an, die sich in Gohlis aufgetan hatte. Ein ehemaliger Unteroffizier, namens Fritzsche, unterhielt diese Schule; sie war so besucht, daß er drei Kompanien bilden konnte. Der junge Rachel gehörte der dritten an. Zu seinem Leidwesen übte in ihr auch ein Student, Tr. mit Namen, der als der „liederlichste unter den Burschen“ galt; doch wurde er sehr bald „consiliert“, verschwand also wohl aus der Exerzierschule und von der Universität.

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/131&oldid=- (Version vom 13.3.2024)