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einer Übung, die sicherlich noch fruchtbarer gewesen wäre, wenn sie deutsch und nicht lateinisch betrieben worden wäre. Julius Rachel disputierte am 11. Dezember über den Satz: exercitus perpetuos hodierno tempore solvendos esse, d. h. die stehenden Heere sind in jetziger Zeit aufzulösen. Ein Thema, das sicher von der Strömung jener Zeit beeinflußt ist, die für die Bürger in Waffen eingenommen war gegenüber dem berufsmäßigen Sol­daten. Ob er sich dabei für das Volk in Waffen mit allgemeiner mehrjähriger Dienstpflicht, wie wir es nun selbst und andere Staaten in Europa, unserem Beispiele folgend, haben, erklärt hat oder, was wahrscheinlicher ist, für ein Milizheer ausgesprochen hat, stehet dahin.

Dies führt von selbst zu einem kurzen Blick auf die poli­tischen Interessen, die dieser Leipziger Student im Jahre 1832 empfand.

Es sei zunächst noch einmal daran erinnert, daß das freie Lied die jungen Leute, ohne daß sie einem Verein, einer Lands­mannschaft oder einem Korps beigetreten wären, lebhaft be­schäftigte. Wenn die Freunde über Land gingen, oder wenn die zwei Stubenburschen abends zu Hause saßen, sangen sie, nach­dem sie ihr Butterbrot genossen (und manchmal ein Stück Schweizerkäse, vom „Italiener“ geholt, dazu) solche Burschen­lieder: Kosziusko, Wir hatten gebaut, und namentlich gern Körnersche Lieder! Ihre Kenntnisse in politischen Dingen suchten sie sich zu vermehren und zu klären dadurch, daß sie, angeregt von Blöde, der etwas Feuriges hatte, bei einem jungen Notar für 6 Gr. monatlich den „Freisinnigen“ abonnierten. Sie hatten schon in Dresden als Pennäler gern darin gelesen, fanden, daß das in Freiburg i. Br. auf Aktien erscheinende Blatt die in­teressanteste politische Zeitung sei, die auch schon mehrmals „be­legt“ worden sei. Die liberal gesinnten Professoren Rotteck und Welker hatten großen Einfluß auf diese „Freiburger politischen Blätter“. Sie nahmen die Zeitung auf ihrem Dorfbummel mit und lasen im Gohliser Wirtsgarten darin. Dann begann wohl ein politisches Gespräch. Einer kam ganz offen darauf zu sprechen, wenn es so weitergehe, wie bisher, würde es zu einer Mediatisierung Deutschlands durch Rußland kommen; ein Krieg

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/128&oldid=- (Version vom 13.3.2024)