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Maiensonnenglanze vor den Jünglingen, die der herrlichen Stu­dentenzeit entgegengingen.

Vielleicht darf ich noch einiges von des jungen Mannes Reise nach Leipzig, von seinem ersten Dreivierteljahr, das er in Leipzig zubrachte (Mai bis Dezember 1832) als Abschluß hin­zufügen.

Mittwoch den 23. Mai waren ihrer sechs Studenten von Dresden aufgebrochen. Da das Tagebuch in diesen stürmischen Tagen des Abschieds unregelmäßig geführt worden ist, erfahren wir nicht, wo sie abends gehalten haben, um zu nächtigen. Sicher hatten sie im Wirtshaus tüchtig gesungen, denn er und Blöde waren am Morgen noch heiser, als sie zum Wagen hinabgingen, um die Gitarre zu verpacken. Früh 4 Uhr bereits erschien der „Marqueur im Schlafpelze“ mit einem Licht, um zugleich die Zahlung in Empfang zu nehmen. Jeder hatte 12 Gr. zu zahlen, einschließlich des Bettes zu 5 Gr. Als sie nun zu sechs, gehörig gequetscht, im Wagen saßen, unter ihnen auch der Sohn des damals sehr angesehenen Kultusministers Müller, wurde wieder gesungen: Lützows wilde verwegene Jagd, Das Volk steht auf, Wir hatten gebauet usw. In Luppe wurde ein Schnaps getrunken; hinter Wurzen, durch das ohne Anhalten gefahren wurde, stiegen sie aus, um einen gehörige Tannen­zapfenschlacht abzuhalten. Nun aber erschien die Gegend den jungen Dresdnern „unausstehlich langweilig“, und etliche schliefen ein. Noch einmal wurde in Borsdorf gerastet und in der Laube des Wirtshauses, dessen Gastzimmer übervoll war, Butterbrot und Schinken gegessen. Ein Sandkuchen, den sich jeder mitnahm, kam ihnen für 1 Gr. „sündlich“ teuer vor. „Eine Straße über Borsdorf hinaus sah man Leipzig liegen. Jetzt verstummten unsere Lieder; o, je mehr ich mich Leipzig näherte, desto banger ward mir es um das Herz, so daß mir vor dieser Stadt graute. Jedoch der Eindruck ward angenehmer, den die Vorstädte auf mich machten; dieses ging in eine Freude über Leipzig über. Wir kamen um 2 Uhr an; am Grimmaischen Thore mußten wir lange halten. Die Märkte und Gassen waren noch voll Buden.“

Der Wagen hielt vor dem Hotel de Pologne auf der Hainstraße, der Kutscher Weber bekam sein Trinkgeld; dann aber

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/126&oldid=- (Version vom 13.3.2024)