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hatte gelegentlich höhnische Worte zu hören. Als ein Ge­selle sich sehr nahe an Gardisten herandrängte, aber zurückgewiesen werden sollte, sagte er auf den Zuruf: „Treten Sie zurück!“ ironisch: „Nur gemach! Ich wollte nur auf ewig von Sie Ab­schied nehmen, da Sie heute Abend aus dem Leime gehen!“ Die Prophezeiung dieses Mannes hat sich erst achtzehn Jahre später, 1849, erfüllt!

Noch Tage lang sah man Militär in den Straßen Dres­dens hin- und herziehen oder lagern; aber im ganzen wurde die Ruhe nicht mehr wesentlich gestört. Dagegen verlauten nun in den Niederschriften der Brüder mehr und mehr Mitteilungen über die Untersuchung der Gefangenen, über zum Teil sehr schnelle und schwere Verurteilungen. Merkwürdig ist die Eintragung, daß Advokat Mosdorf, der als der geistige Leiter der Verfassungsbewegung galt, sich habe durch Hunger töten wollen, daß man ihm das aber ausgeprügelt habe. In Wirklichkeit hat er sich Monate nachher, ebenso wie der Nudel- und Maccaronimüller Bertholdi das Leben genommen, da sie zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt worden waren. Von 80 Verhafteten, deren Namen einer der Brüder sehr gewissenhaft einträgt, wurden 37 entlassen; 25 erhielten 1–10 Jahre Zuchthaus, 16 einen halben bis zu 6 Monaten Gefängnis; einer 1 Jahr. Die ge­fährlichsten wurden auf den Königstein geführt. Selbstverständ­lich hieß es von den Rädelsführern wohl auch, sie hätten die königliche Familie ermorden und die rote Republik einführen wollen. Einmal wird der Dienstag, ein andermal der Freitag als der Tag des geplanten Ausbruches genannt.

Als dann nun wirklich mehr Beruhigung eingetreten war, beschäftigte man sich lebhaft mit den Gerüchten, die in anderen Städten über die Dresdner Rebellen ausgesprengt waren. Und man empfand eine gewisse Genugtuung, als in Leipzig, der Nebenbuhlerin Dresdens von altersher, auch Unruhen ausgebrochen waren; und doch hatte der Rat der Stadt Leipzig sich gleich nach den Apriltagen an den König gewandt und ihm bei der Un­sicherheit des Aufenthaltes in Dresden für ihn und die königliche Familie einen sichereren Aufenthalt als in seiner Residenzstadt bei sich angeboten.

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/122&oldid=- (Version vom 9.3.2024)