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zu; aber es war unmöglich, dahin zu gelangen; so eilte er nach Hause. Als er hier von den Vorgängen hörte, lief er sofort wieder hinaus. Da sah er noch im Halbdunkel der Nacht das Militär in Karree vor dem Rathaus stehen, die Kommunalgarde sich wegen des Regens in die Häuser zurückziehen. Den Lärm vom zweiten Angriff des Pöbels in der Wilsdruffer Vorstadt hörte er. Die Nacht im Hause war unruhig genug. Als neues Trommeln ertönte, warfen sich Vater und Söhne in die Kleider, liefen hinab und fragten den vor dem Hause wachhaltenden Kommunalgardisten, beruhigten sich aber bald und erfuhren noch durch Zurufe den endlichen Ausgang der Bewegung; 1/2 2 Uhr legten sie sich schlafen.

Am Montagmorgen eilte der Kreuzschüler, natürlich ohne viel zu sehen, über das Schlachtfeld, freute sich in der Schule über den Konrektor, auf den als stellvertretenden Kommunerepräsentantenvorsteher das Volk ziemlich erbittert war, und der nun erklärte: „in solchen Zeiten müsse man sich zu einer Parthey schlagen und jeder für seine Parthey reden, nicht wie die stummen Hunde“. Erst nach dem Schluß der Nachmittagsstunden wurde es interessanter. Er hörte, nachdem er alle wichtigen Posten an der Brücke, auf der Schloßstraße und dem Altmarkt ab­geschritten war, erneutes Gebrülle. Prinz Johann erklärte auf der Moritzstraße sehr energisch: die Verhafteten seien straffällig, ebenso jeder, der ihre Befreiung erzwingen wollte. Da liefen sie ihm nach und schrien „Brod, Brod, herunter vom Pferde!“, warfen Steine nach ihm, so daß er im Trabe nach dem Altmarkte ritt. Daß die niedrigsten Instinkte sich lebhafter offenbarten, beweist auch der Ruf: „Jude heraus! Heraus mit den Spitzbuben!“, der auf der Rampischen Straße ertönte. Beide Brüder, der eine auf der Schössergasse, der andere auf der Lochgasse, hörten nun das Heranrücken des Militärs, das Rasseln der Kanonen. Der auf der Lochgasse hörte deutlich die Aufforderung des Offiziers, zurückzugehen und aufzuschreiben, was sie eigentlich wollten. Dann waren sie, jeder an seiner Stelle, Ohrenzeugen des Schießens und entfernten sich aus dem Bereiche der Gefahr. Als sie zurückkamen, stand der Vater besorgt an der Haustür und tadelte sie wegen ihrer kecken Neugier. Gar bald zeigte sich’s, daß gerade

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/120&oldid=- (Version vom 9.3.2024)