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der Wilsdruffer Vorstadt nach langen Versuchen, Ruhe zu schaffen, ebenfalls mit Säbel und Bajonett vorgehen: Diese Angriffe zerstreuten die Elenden im Nu. Die eingelieferten Berichte sind in Stil, Grammatik, Rechtschreibung sehr verschieden, je nach Bildung und Stand. Wird doch einmal statt Laboratorien Labritorien geschrieben.

Dabei waren wohl Leute mit erschienen, die sich früher nie gezeigt hatten, jetzt betrunken antraten und Waffen haben wollten. Sie wurden abgewiesen und beteiligten sich nun am Aufruhr. Die Zahl der Erschienenen schwankt zwischen 2 und 150 Mann. Im ganzen sind 35 Kommunalgardisten verhaftet, nur wenige davon bald wieder freigelassen worden.[1]

Doch nun genug von den allgemeinen Voraussetzungen. Es sei gestattet, von den Eindrücken und Erlebnissen zu sprechen, die in dem Tagebuch des Kreuzschülers und seines jüngeren Bruders, eines angehenden Technikers, berichtet werden.

Der Kreuzschüler erfuhr erst 1/2 6 Uhr auf seinem Gange von der Schießgasse nach der Rampischen Gasse durch Geschrei seines jüngsten Bruders: „’s ist Rebellion, es wird Alarm ge­schlagen!“ von den Vorgängen. Er sah die Pirnaische Torwache nach dem Zeughaus ziehen und eilte in die Lochgasse hinein, wo er vor lauter Regenschirmen zunächst nicht viel sah. Um so mehr hörte er von den Kämpfen, vom Steinwerfen, vom Durchprügeln. Nach den Erzählungen hatte er den Eindruck, als wenn Kommunalgardisten mit weißer Binde gegen solche ohne weiße Binde gefochten hätten. Die Verhöhnungen des Generals von Gablenz, die entschlossene Haltung des Prinzen Johann haben sichtlich starken Eindruck auf den jungen Menschen gemacht. Als aber der Regen zu stark wurde, zog er sich zurück, um der Familie Blöde viel zu erzählen. Wie zentral die ganze Bewegung war, geht daraus hervor, daß der zweite Bruder in der Reitbahngasse bei befreundeter Familie bis 9 Uhr nichts vom Aufstand vernommen hatte; nur Unruhe in der Kavalleriekaserne war von ihm wahrgenommen worden; erst auf dem Heimweg hörte er davon und drängte nach dem Altmarkt


  1. Nach den Ratsakten mitgeteilt.
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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/119&oldid=- (Version vom 9.3.2024)