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in den Wochen lag. Auch die Neustadt war durch Artillerie ge­deckt. In Altstadt erschienen auch Reiter. Das nach dem Markte vordringende Volk wurde, da es an strenge Maßregeln nicht recht glauben wollte, immer gewalttätiger im Vordringen, im Höhnen und Bewerfen des Militärs, riß das Pflaster auf, benutzte Buden zu Barrikaden, bis zuletzt wirklich geschossen wurde, erst in die Luft, was die Leidenschaft zunächst erhöhte, dann scharf. Tod und Verwundung etlicher bewirkte nun doch aber Flucht der übrigen; erst auf dem Bauplatz der neuen Post sammelten sich wieder einige. Als auch sie nach der Annenvorstadt gedrängt worden waren, erwachte dort auf einmal der Fanatismus; ein Bäckermeister lief auf den Annenkirchturm und läutete Sturm. Schüsse und Säbelhiebe mußten die Menge, aus der ebenfalls Schüsse fielen, auseinandersprengen.

So endigte der fast nur auf das Innerste der Stadt be­schränkt gebliebene Aufstandsversuch; große Teile der Stadt waren nicht davon berührt worden.

Die folgenden Tage lag noch allenthalben Militär auf den Straßen, in den Häusern; beruhigende Aufrufe, von der Re­gierung, der Stadt, den Kommunrepräsentanten oder von einer Gruppe verständiger Bürger erlassen, suchten nach Kräften die Wogen zu glätten. Die Gerichtsbehörden mußten noch viele Wochen verhören, entlassen oder verurteilen.

Wenig erfreulich war es, daß die von der Hauptleitung der Kommunalgardenabteilung eingeforderten Berichte vielfach zugestehen mußten, daß viele Bürger gar nicht gekommen waren, andere sich nicht ganz einwandfrei benommen hatten. Die 33. Kompanie hatte geradezu den Gehorsam verweigert; die 5. Kompanie war nur in geringer Anzahl auf den Sammel­platz gekommen; als der Regen sehr stark wurde, nahm sie Unterstand in Häusern. Dagegen hatte sich die 6. Kompanie in jeder Beziehung recht gut gehalten.

Die 8. Kompanie hatte zwar meist unsichere Elemente, hielt sich aber sehr gut; der Gardist Devrient entriß den Zug­führer Heim im entscheidenden Augenblick der höchsten Todes­gefahr; da die meisten keine Patronen hatten, mußten sie mit Säbel und Bajonett vorgehen. Die 10. Kompanie mußte in

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/118&oldid=- (Version vom 9.3.2024)