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Und nun die polnische Revolution. Natürlich hat sie auch ihn sehr beschäftigt. Mit dem Vater, mit den Freunden werden die angeblichen Schlappen, die angeblichen Siege der Polen be­sprochen; da heißt es, Warschau sei gefallen, ein andermal, es sei in die Luft gesprengt worden; General Diebitsch habe sie über die Weichsel gelockt, 20 000 Aufständische und 8 Generale seien gefallen; dazwischen geht es auch wieder einmal gut. Daß das Mantellied gar gewaltig gefiel, wurde an anderer Stelle erwähnt. Natürlich ragt auch hierin der Berliner Witz bis nach Dresden. Da heißt es: „Diebitsch Sabalkansky, sobald erlangst’s ni.“ Als man hört, dem Grafen Diebitsch sei, wenn er die Weichsel passiere, der Fürstenhut versprochen, sagen die Berliner: bis jetzt habe er nur einen Weichselzopf errungen. Und wenn die Frage aufgeworfen wird, warum die Polen ihre Bauern mit Sensen bewaffnen, lautet der Berliner Kalauer: um Sensation zu erregen.

Als Diebitsch an der Cholera starb und gleichzeitig der russische Gesandte Alopëus in Berlin an einer anderen Krankheit, wurde auf die Frage, wer von ihnen zeitiger in den Himmel komme, geantwortet: Alopëus, denn Diebitsch müsse erst 21 Tage Quarantäne halten.

Die Nachwirkung der Julirevolution zeigte sich darin, daß der Primaner seinem Tagebuche anvertraut, er habe, wie er zunächst fälschlich schreibt, die Marseillade auswendig spielen gelernt, die er am 7. Mai zu seinem Vergnügen, als er auf dem Brühl spazieren ging, vom Orchester spielen hörte.

Mehr als all dieses aber interessierten die politischen Vor­gänge in der Heimatstadt. Er hatte die Septembertage von 1830 mitdurchlebt, zu einer Zeit, als er noch nicht Tagebuch führte, wußte aber, daß seinem Vater befreundete Männer in jener Zeit solches geführt hatten. Der Vater selbst hat so gut wie nichts davon in sein Buch eingetragen. Der 31. Oktober des Jahres 1830 hatte in der Einführung der am 14., 15. und 16. gewählten Stadtvertretung in den sogenannten Kommunalrepräsentanten einen mächtigen Fortschritt gebracht. Obwohl nun der Konrektor der Kreuzschule Baumgarten-Crusius zum stellvertretenden Vorsitzenden für den Obersteuerprokurator Eisenstuck gewählt worden war,

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/114&oldid=- (Version vom 8.3.2024)