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habe, in Breslau lägen 20 000 krank darnieder und daß Herr Dr. Himmel mit noch zwei Ärzten dahingereist sei. Im Juli steigert sich die Furcht der Leute; alles spricht von der tückischen Natur der Krankheit. Wer angehaucht sei, brauche aber nicht krank zu werden. Die Stadt hatte sich mittlerweile schon gerüstet, dem unheimlichen Gast zu begegnen. Am 15. Juli ging der Vater mit den Söhnen hinaus nach Löbtau auf das Probierhaus, das zu einer Quarantäne eingerichtet wird. Die Betten wurden, da die großen Ferien gerade begannen, aus dem nahen Freimaurer­institut geborgt, schienen aber doch wohl als Knabenbetten zu kurz zu sein. Die Dielen waren so schadhaft, daß Flüssigkeiten, die vom Kranken ausgingen und nicht gleich gut beseitigt werden konnten, ansteckend wirken mußten. Es waren drei Häuser vor­gesehen: A. Kontumazanstalt, B. Cholerakrankenhaus, C. für andere Fieberkranke; weiter hinten im Garten waren die Kloakgruben und der Totenacker vorgesehen. Der Haussekretär zeigte ihnen noch eine Dampfmaschine in B., mittelst deren Kranke mit Essigdämpfen ausgeräuchert werden sollten.

Während man hier in Ruhe und Gemessenheit bedachte, kamen aus Petersburg Nachrichten, nach denen man die Tore gesperrt habe und die gemeinen Russen 14 junge deutsche Ärzte ermordet hätten. Im September heißt es, daß in Stettin wegen der Cholera Aufstand ausgebrochen sei; man habe mit Kartätschen geschossen. Die wachsende Zahl der Erkrankungen und der Todesfälle in Berlin bucht er in dieser Zeit. Aus demselben Berlin schreibt er sich die tollsten Witze über die Cholera ab, die Saphir in seiner Zeitschrift: „Der deutsche Horizont“ losgelassen hat. Besonders die furchtsamen Hasen werden darin verspottet. Die Vorkehrungen draußen in der Stadt wirken bis in die Haus­wirtschaften hinein. Unter dem 9. September heißt es: Bei uns ist jetzt eine lebendige Apotheke, die Mutter läßt Rezepte schreiben, kauft Räucherwerk und alle Arten Pestessig. Gemüsevorräte werden angeschafft, Reis usw., daß die ganze Garderobe bald vollsteht.

Die Furcht anderer Gemeinden wirkte dahin, daß nicht nur, wie schon erwähnt, im September 1831, sondern noch im Mai 1832, als der junge Studio nach Leipzig fuhr, eine Gesundheitskarte beschafft werden mußte.

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/113&oldid=- (Version vom 8.3.2024)