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Gruppe den Grafen Vitzthum mit seiner Tochter und einem Herrn stehen, die sogleich anfingen, französisch zu sprechen, als die jungen Leute herantraten. Dem Vater des jungen Mannes gefiel das Marmorbild so, daß er wohl scherzend sagte: er wolle sehen, ob er es in der Tasche nach seinem Garten schaffen könnte.

Noch war es damals üblich, die Herrschaften aus der katholischen Kirche über den Gang ins Schloß gehen zu sehen. Die Schüler führten die von ihnen begleiteten Mädchen am Ende des Gottesdienstes auf die Gänge ins Schloß. „In dem einen Zimmer standen schon Menschen, wir gingen daher in das andere, wo gewöhnlich die Supplikanten stehen. Aber da die Herrschaft um 12 Uhr noch nicht da war, gingen wir fort.“ Auch gelang es ihnen einmal durch eine befreundete Familie, einen Hofball von der Galerie aus anzusehen.

Lebhaftes Interesse erregten natürlich irgendwelche unheil­vollen Vorgänge: ein Diebstahl im königlichen Schloß oder ein gewaltiges Feuer auf der Hauptstraße. Die Sturmglocke ertönt, der Nachtwächter bläst, der Hornist im benachbarten Zeughofe auch, ja der Tambour rührt seine Trommel, Vater und Söhne werfen sich mitten in der Nacht um 2 Uhr in die Kleider und eilen auf den Brühl. Prachtvoll wirkt das Feuer, das um des­willen ganz gewaltig ist, weil die Getreidevorräte eines Bäcker­hauses aufgehen und einen Glutregen hervorrufen.

Am andern Morgen um 6 Uhr ist er schon drüben in der Neustadt, sieht die Sachen der Bewohner noch auf der Straße stehen, sie selbst in Schlafpelz und Unterhosen daneben. Der keckere zweite Bruder, ein künftiger Techniker, ist noch am Nachmittag ins Dachgerüst geklettert.

Mehr als diese schnell vorübergehenden Ereignisse mußten aber drohendes oder tatsächlich eintretendes Unheil das Gemüt der jungen Menschen beschäftigen: ich meine die drohende Cholera, die polnische Revolution und die Unruhen in der Stadt Dresden selbst. Im Mai 1831 kommt die erste Kunde vom Herannahen der unheimlichen Krankheit. Struve, der Sohn des berühmt gewordenen Mineralwasserfabrikanten, 1830 / 31 aus Sekunda abgegangen, aber mit seinen alten Kameraden in enger Ver­bindung, konnte berichten, daß sein Schwager Hedenus erfahren

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/112&oldid=- (Version vom 8.3.2024)