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vorzustellen. Bis zu 200 Personen versammelten sich bei Hof­rat Pienitz; doch gab es auch damals schon viel tanzfaule junge Herren, so sehr auch in jeder Generation behauptet wird, früher sei das nicht gewesen, das sei ein neuer Fehler des Zeitalters!

Verkleidungen waren in den Familien, namentlich zu Fast­nächten, viel üblicher als jetzt. Als Bierfiedler, als Handels­juden, als Gärtner mit freundlichen jungen Gärtnerinnen traten die Brüder auf; auch führten sie wohl einen wilden Zigeuner­tanz auf.

Familienleben, Schulleben, gesellschaftliches Leben, Wander­leben des jungen Mannes sind nun geschildert worden, wie er es aus täglichen kurzen Notizen sich in geordneter Form selbst vorgetragen und festgehalten hat.

Es wäre noch zum Schlusse zu fragen, inwiefern Ge­meinde- und politisches Leben von ihm beobachtet worden ist, wie es auf ihn eingewirkt hat.

Das wirtschaftliche Leben in der Stadt selbst hat man sich ja, und mancher Beweis dafür ist schon erbracht worden, recht einfach vorzustellen.[1] Nur einige Proben: So begegnet er ein­mal dem Vater eines seiner Freunde, dem Herrn von Oppen, als dieser nach der Papiermühle geht, um sich einen größeren Vorrat einzukaufen; er lebte ständig in Loschwitz. Als die Schüler zu ihrem französischen Unterricht ein bestimmtes Buch brauchen, ist es in keiner Buchhandlung aufzutreiben. Freund Schnabel tröstet: sein Onkel, der bald nach Leipzig reise, werde es für sie be­sorgen. Dieser selbe Schnabel wohnte (Hinter der Frauenkirche 632) so, daß er die von Leipzig kommenden Eilpostpassagiere aussteigen sehen konnte; war Besuch angesagt, so stand er mit dem Gucker am Fenster. Auch erfuhr er gar bald, wenn der Eilpostwagen wieder einmal umgeschmissen war und alle Passagiere im Graben gelegen hatten. Wie selten sich neben den wenigen Herrschafts­equipagen und den Postwagen Personenfuhrwerk durch die Stadt bewegt, beweist die Bezeichnung eines Gutsbesitzerswagens aus der Umgegend als einer Troschke; dieses städtische Verkehrs­mittel war eben noch nicht üblich.


  1. Über Dresden in jener Zeit s. Klemm a. a. O. Bd. 1, 249.
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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/110&oldid=- (Version vom 8.3.2024)