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wünsche ihrer guten Sache glücklichen Erfolg, den schönsten Sieg. Einmal hatten sie um einen Feldkessel voll Punsch herum­gesessen, als ein Hauptmann hereintritt und fragt, wer als Frei­williger Bagagewagen mitnehmen wollte. Da es so Viele wollten, mußte geloost werden, und unter diesen war auch Körner, den sie nach ein Paar Stunden mit den anderen Verwundeten todt hereingebracht hatten. Auf der Reise nach Thüringen hatte Herr Kersting Göthen wieder besuchen wollen, war jedoch erst zum Hofrath Meyer gegangen, dem innigsten Freund von Göthen, und hatte ihn gefragt, ob er könne zu Göthen gehen, da dessen Zeit doch so eingetheilt wäre. Dieser hatte sogleich ein Billet an Göthen geschrieben, worauf dieser geantwortet, er möge drei­viertel auf 12 Uhr kommen. Als Herr Kersting hingekommen, habe er eine lange Zeit im Vorzimmer gewartet und sich umgesehen. Unter anderem hatte auch ein Napoleon unter einem Thermometer mit Quecksilber gestanden. Auf einmal rauscht es hinter ihm, und er erblickt Göthen; dieser kann nehmlich durchaus nicht das Geknarre der Thüren leiden. Wenn er daher auf Reisen gewesen, so hat er stets ein Bischen Oel mit sich geführt, um in dem Gasthofe knarrende Thüren einölen zu können. In seinem eigenen Hause hat er die Thüren mit Pappier überklebt; sie werden in die Wand hineingeschoben; das Pappier hängt stellenweise an der Thüre lose herab, was natürlich gegen das Andere sehr absticht. Sein Platz ist so gemessen, daß er ein Sopha nur für zwey Personen hat. Herr Kersting hatte doch die Genugthuung gehabt, daß Göthe geäußert, er hätte es ihm übel genommen, wenn er ihn nicht besucht hätte. (Im Jahre 1825.)[1] Ueber der Göthe-Figur hieng ein von Herrn Kersting


  1. Nach „Goethes Gespräche“, herausgeg. v. Biedermann III, S. 127, ist G. F. Kersting am 18. August 1824 bei Goethe gewesen und hat darüber an seine Frau geschrieben: „Ich fand Goethen zwar sehr gealtert, auch etwas zittrig an den Armen, aber am Geiste stark und jung, er bot mir freundlich guten Tag, und ich mußte mich zu ihm auf das Sopha setzen, war herzlich und sprach ohngefähr eine halbe Stunde mit mir über meine Verhältnisse, auch Weib und Kinder wurde freundlich gedacht. Gute Seele, hättest Du doch in diesen Augenblicken den herrlichen Greis sehen können, der mich so freundlich mit seinen gewaltigen Augen fortwährend ansah, und wie er mich beim Fortgang so herzlich noch die Hand drückte und mir ferner Glück und Zufriedenheit wünschte, Du würdest gewiß auch Freudentränen geweint haben so wie ich.“ – Von Kerstings erstem Besuch bei Goethe, im April 1813 zu Dresden, war wohl bisher nichts bekannt. Der Segenswunsch des Dichters zu dem vaterländischen Unternehmen, an dem Körner wie Kersting sich be­teiligen wollten, steht in erfreulichem Gegensatz zu Arndts bekannter Mit­teilung von Goethes Äußerung: „Schüttelt nur an Euren Ketten, der Mann ist Euch zu groß, Ihr werdet sie nicht zerbrechen!“ Biedermann, a. a. Ort, II S. 180.
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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/104&oldid=- (Version vom 8.3.2024)