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Sie dürfen den großen Saal betreten und schreiben sich ins Fremdenbuch. Dann durchwandern sie den Park am rieselnden Bach bis zu einer Steinbank und sprechen versuchsweise in – Jamben. Darauf beginnt Gustav Blöde, mächtig Verse zu schmieden auf treffliche Männer, auf geliebte Mädchen. Wandern sie durch das Spaargebirge, dann kehren sie wohl zu einer Semmelmilch ein; einmal versuchen sie auch Lauer, ein „Nachwein“, auch Treber- oder Tresterwein genannt, der ihnen aber wie sauere Gurken schmeckt.

Den nachhaltigsten Eindruck machten aber wohl die Be­suche, die sie dem Maler Kersting abstatteten, dem ehemaligen Lützower, den wir durch die Berliner Jahrhundertausstellung wieder schätzen gelernt haben.

Hier seien die Worte des Tagebuchschreibers vom 3. April 1831 eingefügt: „Wir gingen zum Malervorsteher, Herrn Kersting, einem sehr freundlichen und treuherzigen Mann, der mir sehr gefiel. Er war (neben dem Domkeller) hinten in seiner Maler­stube und arbeitete an dem Bilde von Herrn Dr. Heine, mit Frau und Kind in der Stube am Fenster sitzend, wobei er mit der Pfeife zur Stube hereintretend abgebildet ist. Ein anderes Gemälde, Jesus am Ölberg, stand halbfertig da. Das beabsichtigte er zur Dresdner Ausstellung zu geben. Er zeigte uns ein alt­deutsches Gewehr, wo statt eines Steinschlosses ein Schwefelkiesel war, der durch Reiben an einer Scheibe Funken gab und so entzündete; dann auch ein Paar Pistolen von Lazaro Lazarino.“ Auch am 4. April begrüßten sie den ihnen liebgewordenen Mann. „Er war so bieder und freundlich wie neulich. Als wir im Be­griffe waren fortzugehen, kam das Gespräch beim Anblick der kleinen Statue, die die Arbeiter ihm nach der Gipsfigur von Rauch abgegossen und geschenkt hatten, auf Göthen. Nun er­fuhren wir, daß er sehr gut mit Göthen bekannt sey, und mit Körnern, der in der Compagnie der Lützowschen Jäger, wo er gestanden, Oberjäger gewesen sey. Als Göthe einmal nach Dresden gekommen sey, so hatte Körner, der es erfahren, Herrn Kersting beredet, ihn zu besuchen. Herr Kersting hatte es gethan, war sehr freundlich von diesem großen Manne aufgenommen worden; noch zuletzt hatte er Herrn Kersting zugerufen, er

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/103&oldid=- (Version vom 8.3.2024)