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Tüchtige Bewegung gab auch das Spiel mit Freunden und Freundinnen: Blindekuh; Jacob, wo bist du? Angebrannt. Stillere Spiele waren: Griechen- und Türkenspiel; Höllenfahrt, Hans mit dem Strich, manchmal Vingt et un um wenig Pfennige, wohl auch Schach. Zettelschreiben, Verlobung und Brautschaft, allerhand Geheimspiele seien noch erwähnt.

Von Turnen, von Sport, von Ballspiel, aber auch von gewöhnlichem Kartenspiel kein Wort. Fürs Spazierengehen bietet der Große Garten die nächsten Freuden; unter der Großen Eiche wird gelesen; bis zu den 7 Brüdern, einer einst viel be­wunderten Baumgruppe, wird gern gewandelt. Oft wird bei Cagiorgis eine „Semmelmilch“ eingenommen; im Winter lassen sie sich auf dem Teich Stuhlschlitten fahren. Wie oft ist abend­liches Begleiten der Mädchen! Am 18. Oktober führen sie sie nach Klengels Garten und necken sie, da sie trotz des Mondscheins Laternen mitgenommen hatten. Bis zu Klengels Garten war eben die nächtliche Beleuchtung noch nicht vorgedrungen!

Daß der Gang nach der katholischen Kirche oder das Stehen vor ihr, ebensowie der Besuch der Wachtparade, vor allem einmal über die Brücke und wieder zurück sehr üblich war, geht aus manchen Eintragungen hervor. Eigentümlich ist es, daß die Jugend gern in Auktionen geht, wenn die Nachlässe bekannterer Personen versteigert werden.[1]

Gar manche Wanderung hat ihn aber nach Loschwitz, Wachwitz, Pillnitz, nach Lockwitz, Kreischa, Weesenstein geführt! Es war schon eine Leistung, wenn damals von Jünglingen und Mädchen auch in die entfernteren Ortschaften zu Fuß gewandert, dann alles Wichtige besehen, natürlich auch getanzt und nach Dresden wieder zurückgegangen wurde. Brach Regen aus, so gingen wohl entsprechend der Biedermeierzeit drei Freunde unter einem Regenschirm leidlich gedeckt.

Zu Pfingsten ist er mehrere Tage zu Besuch beim Freunde Schnabel in Loschwitz auf der jetzigen Viktoriahöhe mit ihrem großen „Berg“. Am Tage laufen sie herum, gehen in des Prinz Friedrich August Mitregenten Weinberg, sehen Depeschen in einer


  1. Siehe hierzu Klemm a. a. O. 2, S. 267.
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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/100&oldid=- (Version vom 8.3.2024)