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Einklang bleiben. Die drei unteren viereckigen Stockwerke sind an den Ecken von breiten Wandbändern gesäumt und werden von klaren Rundbogenfriesen belebt. Die Fenster des ersten Stocks, je eines an jeder Seite, sind spitzbogig mit Kleeblattfüllung und haben über sich geschwungene und gebrochene Renaissancegiebelchen. Am zweiten und dritten Geschosse stehen gegen Westen steinerne Heiligenbilder, geschützt durch reiche noch halbgothische Tabernakel, die an Formen aus der frühesten italienischen Renaissance erinnern. Das dritte Geschoß endigt, weil der Thurm vom vierten an achteckig wird, auf den Ecken, statt der gothischen, in vier egyptische Spitzsäulen, d. h. in vier Obelisken. Die drei nächsten achteckigen, auch mit Rundbogenfriesen umkränzten Geschosse haben schöne von Säulchen getheilte Doppelfenster von entschieden romanischer Anlage, nur daß die Säulchen toskanischer Ordnung sind. Die zwei obersten Geschosse sind einfach, das untere von einer Galerie, das obere von einer mit Kupferblech gedeckten Kuppel bekrönt, aus der eine zierliche Laterne sich erhebt.

Man genießt vom Thurm herab eine weite und herrliche Aussicht (s. oben S. 170); von seinen fünf Glocken hat die größte 25 Centner schwere, mit den Bildnissen von Ulrich und Afra geschmückte, die Umschrift:

Osianna hais ich.
Hans Glockengieser zu Norinberg gos mich.
Zu Gottes Lob und Dienst gehor ich.
Der hochwirdist Her Johan Abt zu Neresham kauft mich.
Als man zalt fürwar
Nach Christi unsers Hern Gepurt 1550 Jar.
Im Namen Gottes Sons heiling Geists. Amen.

Auf der zweiten Glocke steht: Anno Domini 1788 regimine Michaelis Abbatis in honorem S. S. Udalrici et Afrae transfusa.

Auf der dritten: Reverendus in Christo pater et dns dns Georgius Gerstmair 33. Abbas monasterii noreshaim hanc campanam comparavit. 1571. Die vierte Glocke wurde gegossen von Jos. Probst in Nördlingen 1842. Die fünfte altgothische hat die Umschrift in gothischen Majuskeln: Ave Maria gracia plena dominus tecum. benedicta tu in mulieribus.

Ausnehmend reich und prächtig entfaltet sich das 296′ lange Innere der Kirche. Ein wirklich genialer Gedanke kam hier zur Ausführung und man darf wohl behaupten, daß hier in einer Beziehung eine Höhe erreicht wurde, die als die letzte Entwicklung der Baukunst bezeichnet werden muß. Wenn man bedenkt, daß hier die von den früheren Baustilen gefundenen Mittel noch gesteigert und unter sich zu einem neuen Ganzen verbunden wurden, so darf es uns nicht Wunder nehmen, daß eine ganz außerordentliche Wirkung erlangt wurde, ein Innenraum entstand, der, mit seinen Dimensionen

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 364. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0364.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)