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Wöchnerin oder häufiger noch im Wirthshaus gegeben. In einigen Orten, wie z. B. in Frittlingen, gabt (gibt) die Gevatterin der Wöchnerin 2 Laib Brot und eine Maas Wein. Wenn ein Mädchen aus der Taufe nach Hause gebracht wird, läßt man in einigen Orten die Taufpathin mit dem Kinde vor der Thüre warten. Bei Eheverlöbnissen werden an manchen Orten die Anverwandten der Brautleute im Hause der Braut bewirthet. Die Hochzeiten werden meist öffentlich und feierlich gehalten; am Tag der Hochzeit geschieht die Überbringung der Aussteuer in die künftige Wohnung und zugleich die Ausstellung derselben zur Besichtigung für die Frauen. Bevor der Hochzeitszug sich zur Kirche in Bewegung setzt, wird den zum Vorgang Geladenen im Hause der Braut die sogenannte Morgensuppe (Kaffee oder irgend ein Getränk) gereicht. Nur bei Vermöglichen ist dieser sogenannte Vorgang üblich, wobei die ledigen Bursche und Mädchen, oder die bekränzte weibliche Jugend allein, die Hochzeitsleute in die Kirche und nachher in das Wirthshaus begleiten.

Den Zug in die Kirche eröffnet die Braut mit dem ersten Brautführer (Gesellen), ihr folgen der Bräutigam mit dem zweiten Brautführer, sodann die Verwandten und Freunde. Nach der Trauung bewegt sich der Zug in das Wirthshaus, wo das Gastmahl stattfindet, zu welchem von den Brautleuten persönlich eingeladen wurde. Den Hochzeitstanz (Vortanz) eröffnet die Braut mit dem ersten Brautführer, dem sie ein Geschenk dafür reicht; um 12 Uhr Nachts hört in einzelnen Orten, wie z. B. in Dürbheim, der Tanz auf. Den letzten Tanz, den sogenannten Brauttanz, tanzen der Bräutigam mit der Braut und der Brautführer mit der Brautjungfer. Den Brautleuten schenkt niemand als die nächsten Anverwandten und solche, denen schon „gobet“ (gegeben) worden ist. Das Schießen bei Hochzeiten, wie bei den Taufen, ist noch allgemein üblich. In den meisten Orten besteht noch die Sitte, daß der durch- oder in den Ort fahrende Brautwagen, auf welchem vornen die Wiege prangt, mittelst einer quer über die Straße gespannten Schnur oder eines Seiles, unter Hersagung eines Spruchs, angehalten und gegen ein Trinkgeld ausgelöst wird. Das Schmücken mit Rosmarin (Symbol der Liebe und ehelichen Fruchtbarkeit) bei Hochzeiten scheint allmählig in Abgang kommen zu wollen. Am Mittwoch werden durchaus keine Hochzeiten gehalten, weil das Volk den Glauben hat, daß sich an diesem Tag Judas erhängt habe.

Die Leichenbegängnisse werden mit Ernst und Würde nach

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Spaichingen. H. Lindemann, Stuttgart 1876, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OASpaichingen0107.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)