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Schullokale. Die Nothwendigkeit einer Ventilation der Wohnungen ist bis jetzt noch nicht eingesehen und dieß auch der Grund, warum alle Krankheiten im Winter einen schlimmeren Verlauf nehmen als im Sommer.

Der Mangel der Hautpflege, an Licht und Luft sind aber drei Momente, welche zu tief in die Säftemischung des Menschen eingreifen, auch bei den besten Nahrungsverhältnissen.

In der Oberamtsstadt selbst tritt auch ein weiteres Moment hinzu, welches die allgemeinen Lebensbedingungen in schädlicher Weise beeinflußt. Vor Allem ist hier anzuerkennen, daß im verflossenen Jahre durch eine neue Wasserleitung für gesundes Wasser gesorgt worden ist; bei der dermaligen Leitung der städtischen Angelegenheiten darf man wohl auch mit Recht erwarten, daß, je nachdem es die Mittel erlauben, auch den Anforderungen für eine reine Luft in Zukunft die naturgemäße Rechnung getragen werde. Zu dem Bedürfniß einer neuen gründlichen Kanalisation tritt in Rottweil noch dasjenige eines veränderten Bauplans hinzu. Rottweil trägt als frühere freie Reichsstadt noch ganz das Gepräge des mittelalterlichen Städtebaues, hat also eine eng zusammengedrängte Bauart, welche die nothwendige Folge davon war, daß wegen der im Mittelalter auf dem flachen Lande herrschenden Unsicherheit die Bewohner des letzteren in zu großer Zahl in die befestigte Stadt zogen, und innerhalb ihrer Mauern sich niederließen. Da Rottweil zugleich von jeher Ökonomie treibende Stadt war, so finden sich hier sehr häufig im untersten Stockwerk des Gebäudes die Stallungen, welche den darüber befindlichen Wohnungen die schon verbrauchte Luft abgeben. Mit Vollendung der bereits begonnenen Auffüllung der alten Stadtgräben wird die Möglichkeit gegeben sein, auch diesem Übelstande durch eine veränderte, den jetzigen Anforderungen der allgemeinen Hygieine entsprechende Bauart abzuhelfen. Mit der Entfernung der erwähnten Mißstände, deren bisheriges Bestehen zum Theile in der Jugend der öffentlichen Gesundheitspflege als Wissenschaft seinen Grund hat, wird sich gewiß auch die Geburts- und Sterblichkeitsstatistik Rottweils günstiger als bisher gestalten.

Was die Sterblichkeit der Kinder im ersten Lebensjahr betrifft, so stellt sich dieselbe, wie schon erwähnt, auf 31,84 Proc., mit Einrechnung der Todtgeborenen aber auf 34,35 Proc. der Geborenen, und auf 38,47 Proc., mit Einrechnung der Todtgeborenen aber auf 43,10 Proc. aller Gestorbenen, also annähernd auf dieselben Zahlen, welche eine Durchschnittsberechnung für ganz Württemberg ergiebt. Auch in andern Ländern ist man zu dem gleichen traurigen Resultate dieser schreckenerregenden Sterblichkeit unter den Säuglingen gekommen. In

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Rottweil. H. Lindemann, Stuttgart 1875, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottweil0101.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)