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Schweinefleisch in Bratenform mit Würsten, und zum Beschluß noch etwas Schweinefleisch, sämmtlich in Portionen, welche man über Abzug des davon Verzehrten in Säckchen mit nach Hause nimmt, gegeben wird. Die Vorliebe für Schweinefleisch tritt namentlich bei dieser Gelegenheit siegreich hervor. Im Schweinefleisch concentrirt sich für den hall’schen Bauer aller Wohlgeschmack, und weit entfernt, daß zwei Zoll hoher Speck ihn abschreckte, reizt ihn dieß vielmehr. – Dieß ist am Auffallendsten bei den Leichenschmäusen, hier „Leichtränke“ oder „Leichzechen“ genannt. Dieselben sind zwar eigentlich gesetzwidrig, allein der Bauer behauptet nicht mit Unrecht, er könne, wenn es nicht vom Wittwen- oder Waisen-Gut gehe, und wenn keine Unordnungen dabei vorkommen, deren Bestrafung er der Polizei nicht bestreiten wolle, um sein Geld seine Angehörigen um so eher bewirthen, als diese oft aus weiter Entfernung herkommen und der Nahrung, die sie sich auf eigene Kosten nicht wohl überall verschaffen können, bedürftig seyen. Das Schweinefleisch spielt dabei eine ausgezeichnete Rolle, denn nicht nur ist die Länge und der Durchmesser des Stücks der Maßstab des Ansehens der Familie, des Vermögens des Verstorbenen, ja seines moralischen Werths, sondern man bestimmt selbst die Trauer nach demselben. „Dich vertrauert man mit einem Stück Flaasch, das über’s Teller n’aus hängt“ sagt man zu Einem, wenn man damit bezeichnen will, entweder wie gering die Trauer bei seinem Begräbniß seyn werde, indem man dabei lieber esse und trinke, oder umgekehrt, man werde die Größe der Trauer an der Größe des Stücks erkennen. – Dieß sind die Feste und Freudentage des hall’schen Bauers. Von Spielen liebt er das Kartenspiel, welches vorzugsweise die langen Winternächte verkürzen helfen muß, und bei dem etwas Überlistung als erlaubter Vortheil gilt, leidenschaftlich aber das Kegelspiel. Nicht leicht gibt es ein Wirthshaus in der Stadt und auf dem Lande, mit dem nicht ein Garten sammt Kegelbahn verbunden wäre. Die Lichtkärze (Vorsitze) bei denen die ledige Jugend ohne Aufsicht und ganz sich selbst überlassen bleibt, sind eben keine Stützen der öffentlichen Sittlichkeit, da sie neben der geschlechtlichen Verführung, auch noch Klatscherei, Verleumdung und Näscherei, indem man sich häufig dabei bewirthet, und Manche in Herbeischaffung der Mittel dazu nicht sehr gewissenhaft sind, begünstigen. Der Umgang der Geschlechter ist überaus frei, und die Folgen davon werden mit großer Unbefangenheit als natürlich und unvermeidlich aufgenommen; die Schmach ist leicht und vorübergehend, und wird meistens durch nachfolgende Ehe getilgt. Treue ist, wo nicht schon ein lebendiges Band die Liebenden fester verbindet, kein wesentliches

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Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Hall. Verlag der J. G. Cotta’sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1847, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHall0049.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)