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zu den Seltenheiten, während Nieren- und Blasenleiden mit Harnconcrementen nur ausnahmsweise beobachtet werden. Am ehesten kommen noch Blasen-Catarrhe mit Harnbeschwerden vor. Mastdarmkrebs kommt alle paar Jahre einmal zur Beobachtung.

Unterleibsbrüche (Vorlagerungen von Baucheingeweiden, Hernien), durch schwerere Feld- und Waldarbeit in bergigter Gegend erzeugt oder befestigt, oder auch angeboren, sind eine häufige Erscheinung, und werden durch Versäumniß rechtzeitiger Hülfe bei Einklemmungen nicht selten zur Todesursache.

Von allgemeinen Säfte-Krankheiten (kranke oder mangelhafte Blutmischung) sind besonders zu erwähnen die Scropheln, die mit ihrem Gefolge von Augen- Ohren- und Nasen-Entzündungen, Hautausschlägen, Lungen- und Unterleibsschwindsucht eine häufige Geißel aller Classen des Volks sind. Auch die derselben verwandte englische Krankheit, Rachitis, die Knochen-Erweichung und Verkrümmung des kindlichen Alters, ist leider nicht selten. Die des höheren Alters, Osteo-Malacie genannt zum Unterschied von jener, findet man bei aufmerksamer Beobachtung ebenfalls da und dort, besonders beim weiblichen Geschlecht.

Ferner gehören hieher die Knochentuberkeln mit ihrem Übergang in Knochengeschwüre (Beinfraß, Caries) und die chronischen Entzündungen der Gelenksköpfe und Gelenksbänder, besonders am Hüftgelenk (Luxatio spontanea) und am Knie (weiße Knieschwulst, tumor albus). Man findet diese Übel alljährlich in mehrfachen Exemplaren.

Die Gicht (Gliederweh, Arthritis) gehört zu den fast alltäglichen Erscheinungen. Man beobachtet sie in allen Volksklassen und in allen Formen, bei den Vermöglichen in Folge üppigen Lebens als Gelenksgicht, bei den Armen unter ungünstigen äußeren Verhältnissen häufiger als Arthritis vaga, anomala, theils in den Gelenken, Knochen, theils in inneren Organen, Herz und Darmkanal, Auge, Ohr etc. In beiden letzteren Organen führt sie durch Trübung der Crystalllinse (grauer Staar, der aber auch aus anderen Ursachen, hohem Alter etc. nicht selten ist) zur Erblindung, in letzterem durch Ablagerung von Gichtstoff auf den Gehörnerven zur Übelhörigkeit und Taubheit. Vielfach gibt sie auch, besonders beim weiblichen Geschlecht, Veranlassung zu chronischem Friesel im mittleren und späteren Alter, und wird dadurch zur Plage der Kranken, ihrer Umgebung und des Arztes. Der Grund zu dieser Form wird häufig in den Wochenbetten gelegt durch unvernünftiges heißes Verhalten und übermäßiges Schwitzen.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Nagold. Karl Aue, Stuttgart 1862, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Nagold_049.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)