Seite:OAB Freudenstadt 211.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Silber- und Badgasse), welche sich der Länge nach durch die Stadt ziehen und nur durch kurze Querstraßen mit einander verbunden sind. Die ziemlich breiten Ortsstraßen sind steinbeschlagen (macadamisirt) und gekandelt. Die im Durchschnitt in den untern Stockwerken aus Stein, in den obern aus Holz erbauten, durchgängig mit Ziegeln gedeckten Gebäude sind enge an einander gebaut, meist alt, jedoch nicht selten etwas Städtisches verrathend und mit den Giebelseiten gegen die Straßen gekehrt; die Westseiten häufig mit Verschindelung versehen. Die Stadt hatte 2 feste Thore, das obere an der Nordseite und das untere an der Südseite, beide wurden vor ungefähr 30 Jahren abgebrochen. Von freien Plätzen sind anzuführen der sehr geräumige Marktplatz und der beinahe ebenso große Kirchplatz. Die Vorstadt besteht nur aus einer langen, zu beiden Seiten mit Häusern besetzten Straße, welche sich von dem ehemaligen oberen Thor an in der Richtung gegen Norden fortzieht.

Von öffentlichen, der Gemeinde gehörigen Gebäuden sind zu nennen:

1) Die sehr ansehnliche, im germanischen Styl erbaute Pfarrkirche, an deren Langhaus und Chor Strebepfeiler und spitzbogige, in den Bogentheilen mit germanischem Maßwerk gefüllte Fenster angebracht sind. Der imposante, architektonisch schöne Thurm besteht aus 6 Stockwerken, von denen die 4 untern viereckig und mit Schußscharten versehen sind; das fünfte bildet ein Achteck mit Frontispicen, an denen Krappen und Giebelblume angebracht sind; sie enthalten schön ausgeführte germanische Fenster und zwischen denselben stehen je auf den 4 Ecken mit Krappen und Giebelblumen gezierte Spitzsäulen. Über diesem Stockwerk lauft ein mit germanisch durchbrochenem Geländer versehener Umgang (Kranz), auf dem sich das sechste in einer spätern Periode erbaute Stockwerk mit spitzem, schiefergedecktem Zeltdache erhebt. Auf dem Thurm genießt man eine sehr freundliche und ausgedehnte Aussicht. An dem unteren mit spitzbogigem Durchgang versehenen Stockwerk des Thurms steht die Jahrszahl 1490, welche ohne Zweifel die Erbauung des Thurms und der Kirche angibt. Der Meinung, als ob die Kirche bei dem großen Brande von 1675 zu Grunde gegangen und dann wieder neu aufgebaut worden sey, widerspricht die ganze eine frühere Periode verrathende Bauweise der Kirche; vermuthlich ist zu jener Zeit nur das Innere der Kirche theilweise ausgebrannt und dann wieder erneuert worden. Das geräumige und ziemlich helle Innere des Langhauses, in welchem romanische Säulenfüße, denen später hölzerne Säulen aufgesetzt wurden, auf einen älteren Ursprung des Kirchengebäudes hinweisen,

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Freudenstadt. Karl Aue, Stuttgart 1858, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Freudenstadt_211.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)