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des Abstandes ab- und zunimmt. Wir wollen nun eine Vergleichung zwischen den Centripetalkräften der Planeten und der Schwerkraft anstellen, und sehen, ob sie vielleicht von derselben Art sind. Sie werden aber von derselben Art sein, wenn von dort und von hier dieselben Gesetze und dieselben Beziehungen bemerkt werden. Untersuchen wir zuerst die Centripetalkraft des, uns am nächsten liegenden, Mondes!

Die geradlinigen Wege, welche die aus dem Zustande der Ruhe in Bewegung übergehenden Körper, im Anfange der letztern und in gegebener Zeit beschreiben, sind, wenn sie durch beliebige Kräfte angetrieben werden, diesen proportional. Dies ergiebt sich durch mathematische Rechnung. Es wird daher die Centripetalkraft, welche auf den in seiner Bahn sich bewegenden Mond wirkt, sich zur Schwerkraft an der Oberfläche der Erde verhalten, wie der Weg, welchen der Mond in einem sehr kleinen Zeitraume zurücklegen würde, wenn er vermöge der Centripetalkraft sich der Erde näherte und seiner Kreisbewegung ganz beraubt wäre, zu dem Wege, welchen ein schwerer Körper in demselben kleinen Zeitraume nahe bei der Erde beschreiben würde, wenn nur die Schwerkraft ihn zum Fallen antriebe. Der erste dieser beiden Wege ist gleich dem Sinus versus des Bogens, welchen der Mond in derselben Zeit beschrieben hat. Dieser Sinus versus misst nämlich die Entfernung, welche der Mond von der Tangente, vermöge der Centripetalkraft in derselben Zeit erlangt hat, und kann daher aus der gegebenen Umlaufszeit des Mondes und seinem Abstande vom Mittelpunkte der Erde berechnet werden. Den zweiten Weg findet man, wie Huygens gelehrt hat, durch Pendelversuche. Stellt man daher die Rechnung an, so wird der erste Weg sich zum zweiten, oder die Centripetalkraft des in seiner Bahn sich bewegenden Mondes zur Schwerkraft an der Oberfläche der Erde verhalten, wie das Quadrat des Erdhalbmessers zum Quadrat des Halbmessers der Mondbahn. Dasselbe Verhältniss hat auch dem Obigen die Centripetalkraft des in seiner Bahn sich bewegenden Mondes, zu derselben Kraft in der Nähe der Erdoberfläche. Die letztere Centripetalkraft ist daher gleich der Kraft der Schwere. Beide Kräfte sind nicht von einander verschieden, sondern eine und dieselbe. Wären sie nämlich von einander verschieden, so müssten die, durch die vereinigten Kräfte angetriebenen Körper doppelt so schnell gegen die Erde fallen, als bloss vermöge der Schwerkraft. Es ist demnach ausgemacht, dass jene Centripetalkraft, durch welche der Mond beständig von der Tangente abgezogen, oder fortgestossen und in seiner Bahn erhalten wird, die Schwerkraft der Erde sei, welche sich bis zum Monde erstreckt. Es stimmt dies auch mit der Vernunft überein, dass jene Kraft sich auf grosse Entfernungen erstrecke, da man auch auf den höchsten Bergspitzen keine bemerkbare Abnahme derselben wahrnehmen kann. Der Mond ist daher gegen die Erde schwer, und durch Gegenwirkung ist die Erde eben so schwer gegen den Mond, was auch vollständig in diesem Werke bestätigt wird da, wo von der Meeresfluth und dem Fortrücken

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Isaac Newton: Mathematische Prinzipien der Naturlehre. Robert Oppenheim, Berlin 1872, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:NewtonPrincipien.djvu/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)