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Wilhelm Ludwig Lehmann: Professor Ernst Gladbach. In: Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft in Zürich für 1898

Topfe. Mit viel Humor konnte er später erzählen, wie oft Schmalhans Küchenmeister bei ihm war, und wie er seine ganze Bibliothek, Stück für Stück, beim Antiquar verkaufte, wie selbst der vielgeliebte Merian von seinem alten Gestell herunterwanderte, um in Geld umgesetzt zu werden! Später gelang es ihm dann freilich wieder, ihn zurück zu erwerben. Aber derartige Widerwärtigkeiten des Lebens berührten ihn im ganzen wenig; wie ein Träumer ging er hindurch und freute sich dabei über jedes Blümlein, das am Wege stand. Und kam der Sturm einmal gar arg über ihn, so zog er sich gleichsam seine Kapuze über den Kopf und betrachtete vergnügt das Spiel der Regentropfen am Kapuzenrand – mochte es dann draussen stürmen, so viel es wollte!

Am 19. Mai 1863 verheiratete er sich in zweiter Ehe mit Auguste Buck von Wilpoltsried, und nun beginnen sich die verworrenen häuslichen Verhältnisse langsam zu klären. Nachdem er in verschiedenen Wohnungen in Riesbach und Oberstrass gewohnt, gelang es ihm, ein kleines Häuschen auf dem Zürichberg oberhalb der Kirche Fluntern zu erwerben, das ihm die treue Sorgfalt seiner Frau nach und nach zu einem behaglichen Wohnsitze umgestaltete. Auch die Familie vergrößerte sich, zwei weitere Söhne wuchsen ihm heran und die Tochter verheiratete sich an einen Zürcher Lehrer.

In diese Zeit fällt eine neue Arbeit von Gladbach, Vorlegeblätter zur Baukonstruktion, die bei Meyer & Zeller in Autographie erschienen und nur für den engeren Kreis der Schüler bestimmt waren. Aber zu einer weitern Betätigung seines grossen Talentes kam es lange nicht mehr. Jahre vergingen mit kleinen Arbeiten und vor allen Dingen wimmeln die Tagebücher wieder von mathematischen Notizen. Wiederum spann er sich ganz in geometrische Probleme ein, oder verlor seine Zeit mit schlecht bezahlten Privatstunden.

Endlich war anfangs der achtziger Jahre die erste Auflage des «Schweizer Holzstiles» nahezu vergriffen. Der Verlag desselben ging auf Cäsar Schmidt in Zürich über, der sich entschloss, bei der zweiten Auflage eine weitere Serie mit neuen Aufnahmen hinzuzufügen. So konnte Gladbach aufs neue wieder seinen geliebten Bauten nachgehen, und trotz seiner siebzig Jahre unterzog er sich mit jugendlichem Eifer der schönen Aufgabe. In erster Linie galt es diesmal der Verbindung von Stein- und Holzbau, wie er in einer Reihe von Schweizer Kantonen vorherrscht und vor allem in den reichen Bauten von Stein am Rhein zu mustergültigem Ausdruck gelangte. Aber auch die entlegensten Alpentäler suchte er auf und fand zum Beispiel in den Seitentälern des Rhonetales noch reiche Ausbeute, wie die originellen Bauten aus dem Lötschentale zeigen. Zudem begann er auch die Reste der Malereien an den Häusern möglichst zu sammeln, und es gelang ihm, eine Reihe höchst origineller Studien dafür mit nach

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Wilhelm Ludwig Lehmann: Professor Ernst Gladbach. In: Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft in Zürich für 1898. Zürich 1898, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neujahrsblatt_der_Kunstgesellschaft_in_Z%C3%BCrich_f%C3%BCr_1898.pdf/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)