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Priester, vier und zwanzig tausend an der Zahl, trugen weißseidene Gewänder. Dann kamen die Sänger, dann die Tonkünstler, dann die Trompeter, dann die Pförtner, dann Jene, welche das Räucherwerk zubereiten, dann die Verfertiger der heiligen Vorhänge, dann die Ehrenwächter, dann die Archivare, dann ein Trupp, genannt Cartophelos, dann alle übrigen Geschäftsverwalter des Heiligthumes, dann die siebzig Senatoren, dann hundert Priester mit silbernen Aexten zum Platzmachen, dann endlich der Hohepriester, von allen ältesten der Priester paarweise gefolgt. An den Straßenecken waren die Häupter der Hochschulen aufgestellt, die folgender Weise ihn begrüßten: O Herr, o Hohepriester, zieh hin in Frieden. Bitte den Schöpfer, daß er uns das Leben lasse, um seiner Thora es zu weihen.

Angekommen an der Pforte des Tempelberges, erhoben sie ein Gebet für die Erhaltung des Davidschen Königshauses, dann für die Priester in dem heiligen Tempel. Das Amen, das darauf aus hunderttausend Kehlen emporstieg, erscholl so mächtig, daß die Vögel in den Lüften zu Tode erbebten.

Darauf neigte sich der Hohepriester vor dem Volke, und schied weinend und bangen Gemüthes aus seiner Mitte. Darauf geleiteten ihn zwei Priesterhäuptlinge in seine Gemächer, allwo er von seinen Collegen, den Priestern, Abschied nahm, und von Allen getrennt, die sieben Tage verlebte. Also war der Einzug.

Der Heimzug aber war noch einmal so herrlich. Vor dem Hohepriester her zog alles Volk Jerusalems, weiß gekleidet, mit weißen brennenden Wachskerzen in der Hand, alle Fenster waren mit Teppichen behangen und festlich erleuchtet. Selten gelang es dem Hohepriester, durch den großen Volksandrang aufgehalten, vor Mitternacht sein Haus zu erreichen; denn keiner mochte sich entfernen, ohne wo möglich die Hand des Hohepriesters geküßt zu haben.

Tags darauf feierte er mit seinen Verwandten und Freunden ein großes Fest, weil er in Frieden die hohe Feier beendet und das Heiligthum wohlbehalten verlassen hatte. Dann gab er einem Goldschmied den Auftrag, eine goldene Platte anzufertigen, darauf folgende Inschrift kam: Ich, der Hohepriester N. N., Sohn des Hohepriesters N. N., habe an dem hochherrlichen Heiligthume den hochpriesterlichen Gottesdienst versehen, in dem Jahre so und so nach der Weltschöpfung. Der mich dieses

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Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/71&oldid=- (Version vom 1.8.2018)