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Erich Mühsam: Idealistisches Manifest. In: Alarm. Manifeste aus 20 Jahren, S. 46–53

Idealistisches Manifest
April 1914

Wer mit dem Blick auf zeitlose Weiten neue Moral, neue Gerechtigkeit, neue Menschlichkeit zum Inhalt seines Strebens macht, der weiß aus unzähligen Erfahrungen, daß er mißverstanden wird. Es ist fast notwendiges Schicksal seiner Ueberredungskunst, selbst bei Menschen von Verstand, Kritik und gutem Willen Kopfschütteln und Achselzucken zu erregen. Denn jede Agitation, deren Absicht nicht zeitlich begrenzt ist, steigt unbekümmert und rücksichtslos über praktische Bedenklichkeiten hin. Für bürgerliche – das heißt gegenwartsbesorgte – Naturen ist das Ziel immer der nächste Schritt. Wer aufs Ideal steuert, „schießt über das Ziel hinaus“. Den Weg zu einem Ziele nicht in jeder Kurve kennen, das Werkzeug zu einem Kampfe nicht auf jede Gefahr erprobt haben, das bewirkt die Zweifel, das Warnen, das Bangemachen und selbst den gewalttätigen Widerstand gegen Tendenzen, gegen deren Ehrlichkeit gar nichts eingewandt wird. Aber wer im reinen Gefühl die Wahrheit weiß und in kluger Skepsis von ihr abläßt, den heiße ich einen Lumpen.

Hier ist mein idealer Zweck – da sehe ich das Mittel, ihn zu erfüllen: was kümmert mich die Chamade der Vorsichtigen? Naturwissenschaftler, Volkswirtschaftler, Historiker, Geographen, Politiker und Kaufleute sollen hundertmal recht haben, – mein Gefühl, das seine Wege kennt, können sie nicht widerlegen. Ich will den Völkerfrieden, weil er mich gut dünkt. Ich weiß, er wird sein, wenn die Arbeit der Menschen nicht mehr für

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Erich Mühsam: Idealistisches Manifest. In: Alarm. Manifeste aus 20 Jahren, S. 46–53. Der Syndikalist, Berlin 1925, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Muehsam_Alarm_046.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)