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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

ihr zukam, war jenes Wort freilich ihr erster Gedanke. Ein Tag und eine Nacht verging ihr in furchtbarer Ungewißheit, unter den bängsten Ahnungen. Paul hatte sich seit jenem Abende nicht wieder bei ihr sehen lassen, er hatte ihr noch unter der Thüre empfohlen, gegen Niemand von seinem Besuche zu sprechen. Bei seiner eigenen Art und Weise fiel ihr dieß nicht sogleich auf; jetzt mußte sie nothwendig das Aergste daraus schließen. Indeß fand er Mittel und Wege, um heimliche Kunde von sich zu geben. Sein Billet ließ deutlich genug für Lucien errathen, daß der Lieutenant durch ihn, aber im ehrlichen Zweikampf gefallen. Sie möge sich beruhigen, und außer Gott, der mit der gerechten Sache gewesen, Niemanden zum Vertrauten darin machen. Er werde unverzüglich verreisen und es stehe dahin, ob er je wiederkehre; sie werde im glücklichen Fall von ihm hören. – Es lag eine Summe in Gold beigeschlossen, die anzunehmen er auf eine zarte Weise bat.

Das Mädchen war in Verzweiflung. Sie sah sich einer Handlung theilhaftig, welche in ihren Augen um so mehr die Gestalt eines schweren Verbrechens annahm, je ängstlicher sie das Geheimniß bei sich verschließen mußte, je größer die Emsigkeit der Gerichte, der Aufruhr im Publikum war. Die Vorstellung, daß sie den ersten, entscheidenden Impuls

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_302.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)