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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

Ein Wink reichte hin, um Beider Betragen zur Zufriedenheit der Braut zu mäßigen, und Alles war ohne ein Wort ausgeglichen.

Um diese Zeit traf den Lieutenant der unvermuthete Befehl seiner Versetzung vom hiesigen Orte. Wie schwer sie auch Allen auf’s Herz fiel, so konnte man sich doch, insofern ein lange ersehntes Avancement, und hiemit die Möglichkeit einer Heirath, als die nächste Folge vorauszusehen war, so Etwas immerhin gefallen lassen. Die Entfernung war beträchtlich, desto kürzer sollte die Trennung sein. Sie war’s; doch schlug sie leider nicht zum Glück des Paares aus. – Daß Richard die erwartete Beförderung nicht erhielt, wäre das Wenigste gewesen, allein er brachte sich selbst, er brachte das erste gute Herz – wenn er es je besaß – nicht mehr zurück. Es wird behauptet, Anna habe seit einiger Zeit abgenommen, aber nicht, daß irgend Jemand sie weniger liebenswürdig gefunden hätte. Ihr Verlobter that immer kostbarer mit seinen Besuchen, er zeigte sich gegen die Braut nicht selten rauh und schnöde, wozu er die Anlässe weit genug suchte. Die ganze Niedrigkeit seines Charakters bewies er endlich durch die Art, wie er die schwache Seite Anna’s, Neigung zur Eifersucht, benützte. Denn der Schwester, die ihn mit offenbarem Abscheu ansah, that er nun schön

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_285.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)