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Lorenz Christoph Mizler (1711–1778): Mizler Musikalische Bibliothek Band 4 1754

abreißen kann; aber die stimme ist dem Menschen angebohren. Wie geschwind, ihr Gegner, würde ich über euch siegen, wenn es bey dem Streite auf den Ursprung unserer Künste ankäme? Der Mensch ist bey weitem nicht der Erfinder der süssen Tonkunst! die ganze Natur ist eine Musik, und wenn Pythagoras, die Harmonie der himmlischen Körper will gehört haben: so hat er vielleicht nur so viel anzeigen wollen, daß alle Körper in der Natur einen Laut von sich geben, in welchem die lieblichste Uebereinstimmung herrschet. Damals als noch kein Mensch das Weltgebäude bewundern konnte; damals, als man an die künstliche Vermischung der Töne noch nicht dachte; damals durchlieffen schon die himmlischen Körper ihre bestimmten Bahnen, und wer kann zweifeln, daß diese Bewegung keinen Laut sollte erregt haben, da aller Schall durch die zitternde Bewegung der Luft entstehen muß? Zeit und Nachsinnen haben diese Kunst unter den Menschen zu ihrer Vollkommenheit gebracht, und man kann sagen, sie sey zu ihrer höchsten Hoheit gestiegen: sie sey in dem grösten Alter am stärksten, und am feurigsten, da sie bald sechs tausend Jahre zurückgeleget hat. Die Poeten hingegen haben es in drey tausend Jahren ihrem Homer nicht mehr gleich thun können. Man findet aber auch nicht leicht ein Weltalter, nicht leicht ein Volk, es mag so wild und ungesittet seyn, als es will, das nicht die Musik hochgehalten hätte, oder von ihrer durchdringenden Kraft wäre gerühret worden. Die Barbarn die vom Raube leben,

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Lorenz Christoph Mizler (1711–1778): Mizler Musikalische Bibliothek Band 4 1754. Mizlerischer Bücher-Verlag, Leipzig 1754, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mizler_Musikalische_Bibliothek_Bd4_1754.pdf/7&oldid=- (Version vom 8.2.2024)