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Lorenz Christoph Mizler (1711–1778): Mizler Musikalische Bibliothek Band 4 1754

Perlen nicht vor die Schweine werfen mag. Dir endlich o Schauspielkunst, du getreue Schwester der Poeten, kann ich nicht besser begegnen, wenn du glaubest, mir den Rang abzulaufen, als wenn ich dir zu Gemüthe führe, wie du so bald aufhören wirst, besucht zu werden, so bald die Musik deine Schauplätze verlassen wird. Dein Vaterland hat die Chöre deswegen unter die Spiele gemischt, daß die Zuschauer nicht für eurem Geschrey davon laufen möchten. Und noch ietzo sind die Schauspiele ohne Musik unangenehm. Niemals ist noch die Musik aus der Republik gewiesen worden. Aber wohl hat selbsten der wollüstige Tiberius die Comödianten aus Rom veriagt, und die Poeten durften sich nicht wohl sehen lassen. Socrates und Lycurgus mögen kein Spiel unter ihren Bürgern leiden. Vielleicht hat man wegen der schlimmen Sitten eurer Trouppe, Grund darzu gehabt. Aber ich will euch nichts vorwerfen, daran die Kunst nicht schuld hat.

Ich will aufhören, ihr Richter! von den Vorzügen der Tonkunst zu reden, die mir gewiß den Preiß zuerkennen würden, wenn ich sie gleich nicht, und zwar etwas weitläuftiger, als ich mir vorgenommen, erzehlet hätte; Ich will aufhören, damit mir nicht vielleicht iemand vorrücken möge, was der Poet Horatz uns vorgeworfen hat: Die Tonkünstler fangen niemals an zu spielen, wenn man sie gleich noch so sehr bittet, und hören niemals auf, wenn man genug zugehöret hat.

Ende der Rede.
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Lorenz Christoph Mizler (1711–1778): Mizler Musikalische Bibliothek Band 4 1754. Mizlerischer Bücher-Verlag, Leipzig 1754, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mizler_Musikalische_Bibliothek_Bd4_1754.pdf/22&oldid=- (Version vom 1.4.2024)