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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 5

geworden, so stellt man die Wechselventile um, und es treten jetzt Gas und Luft erhitzt durch die Kanäle g′ und l′ auf den Herd u. s. f. Der Prozeß wird in der Weise ausgeführt, daß man 150–200 kg möglichst schwefel- und phosphorfreies Roheisen auf dem Herd einschmelzt, hierauf stark glühende Stahl- und Eisenabfälle in einzelnen Posten nacheinander einträgt, jedesmal mit Krücken oder Holzstangen umrührt, öfters Schlacke zieht und dann Schöpfproben nimmt, worauf man aus der Zähigkeit im rohen und gehärteten Zustand sowie aus dem Bruchansehen des Produkts den Verlauf des Prozesses ersieht. Da die im offenen Herd eingeschmolzenen Materialien mit Luft in Berührung kommen, so wird der Kohlenstoff nach und nach verbrannt. Zuweilen wird der Oxydationsprozeß auch noch durch eisenoxydhaltige Zuschläge (Roteisenerz) und durch Einleitung von Gebläsewind gefördert. Man treibt den Oxydationsprozeß bis zur völligen Entkohlung, ja zuweilen bis zur Oxydation des Produkts und fügt dann Spiegeleisen oder Ferromangan oder Siliciumeisen zur Rückkohlung und Entfernung des Sauerstoffs, ähnlich wie beim Bessemern, hinzu. Hierauf sticht man das gekohlte Produkt durch die Rinne b in die mit Zapfen d im Boden versehene und auf Rädern bewegliche Gießpfanne c ab, unter welcher die Formen stehen. Der Einsatz beträgt 1000–12,000, gewöhnlich 1500 bis 6500 kg. Das erzeugte Produkt wird Flammofenflußstahl oder Martinstahl genannt; es wird vorzüglich für Façonguß und für Gegenstände besonderer Qualität verwandt (z. B. Radeisen, Achsen, Walzen etc.). Die Ausgangsmaterialien müssen ganz rein sein, weil alle Verunreinigungen in das erzeugte Produkt mit übergehen. Es ist bei dem Martin-Prozeß ungleich leichter als bei dem Bessemer-Prozeß, eine verlangte Härtenummer genau zu treffen. Der Martin-Prozeß gewinnt von Jahr zu Jahr größere Bedeutung für die Eisenindustrie. In neuester Zeit ist man mit Erfolg bestrebt gewesen, auch in diesem Prozeß eine Entphosphorung des Roheisens durch Anwendung basischer, aus Dolomit hergestellter Herdfutter zu bewirken. An Stelle des Flammofens benutzt man auch den mit Regenerativgasfeuerung versehenen Pernotschen Ofen mit rotierender, tellerförmiger Sohle, und zwar wird dabei meistens ein die Oxydation beschleunigender Zusatz von Roteisenerz gemacht. – Schließlich sei hier noch

d) der Siemenssche Erzprozeß (Landore-Prozeß) beschrieben, bei welchem die Oxydation des im Roheisen enthaltenen Kohlenstoffs wesentlich durch eisenoxydhaltige Zuschläge (Eisenerze) erfolgt. Dieser Prozeß ist von Siemens auf seinen Werken zu Landore in England mit Erfolg durchgeführt. Der Ofen mit Regenerativfeuerung hat eine ähnliche Einrichtung wie der erwähnte Siemens-Martin-Ofen (Fig. 26 u. 27 auf Tafel III). Man setzt Bessemerroheisen und die Hälfte davon Abfalleisen kalt ein, schmelzt die Charge, z. B. von 8 Ton., in 4–5 Stunden ein, fügt zu wiederholten Malen Eisenoxyd in Form sehr reiner Erze (z. B. Moktaerz) hinzu und unterbricht den Prozeß, wenn das durch genommene Schöpfproben erhaltene Produkt im Bruch körnig ist, sich zäh zeigt und die Schlacke oberflächlich dunkel, im Bruch dicht und im Innern etwas lichter erscheint. Je nach der dem Produkt zu gebenden Härte fügt man mehr oder weniger Kohlenstoff in Gestalt von Spiegeleisen oder manganreichem E. (Ferromangan) hinzu und sticht alsdann das Produkt in eine Gußpfanne und daraus in Formen ab. Eine Charge dauert etwa 8–10 Stunden. – Die folgende Tabelle gibt eine

Übersicht der wichtigsten Darstellungsarten von schmiedbarem Eisen aus Roheisen.
Verarbeitung durch Herdfrischen zu Verarbeitung durch Puddeln zu Verarbeitung durch Bessemern. Verarbei­tung im Martin-Ofen mit Schmiede­eisen oder Stahl
Schmiedeeisen. Stahl. Schmiedeeisen. Stahl.
Wird zu Stäben aus­gereckt und dient als Wird zu Stäben aus­gereckt und dient als Wird geschweißt und gewalzt. Wird im Martin-Ofen mit Roheisen ge­schmolzen und zu Eisen­bahn­schienen, Radreifen oder Façon­guß verar­beitet. Wird geschweißt und gewalzt. Verarbeitung der wie sub 8 und 13.
Verarbeitung Verarbeitung Blöcke durch Schweißen und Walzen zu Eisen­bahn­schienen, Radreifen, Blechen. Abfälle u. Enden
Handels­ware für Schmiede, Schlosser, zur Draht­fabri­kation etc. Material für den Zementa­tions­prozeß. Es entsteht Zement­stahl. Material zu Handels­ware (Kärn­tener Roh­stahl) für Anfer­tigung von Werk­zeugen etc. Material für Gärb­stahl­dar­stellung. Be­nutzung wie sub 3. zu Handels­ware, als: Stabeisen, Façon­eisen, Blech etc. durch den Zemen­tations­prozeß zu Zement­stahl. Be­nutzung wie sub 2 und 3. zu Handels­ware (Schie­nen, Rad­reifen, Material für grö­bere Werk­zeuge etc.). durch Tiegel­schmelzen zu Tiegel­gußstahl, Achsen, Rad­reifen, Werk­zeugen. zu Tiegel­gußstahl, Ge­schützen, Maschinen­teilen, Façon­guß. im Martin-Ofen wie sub 8.
Tiegel­gußstahl für die feinsten Werk­zeuge. Gärbstahl für Federn, feine Werk­zeuge etc.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Die Zusammensetzung der verschiedenen Sorten von schmiedbarem E. ergibt die Tabelle, S. 424.

Chemische Eigenschaften des Eisens.

Reines E. (Klavierdraht enthält nur 0,3 Proz. Verunreinigungen) ist fast silberweiß, kristallisierbar, weicher, hämmerbarer, weniger fest als Schmiedeeisen und vom spez. Gew. 7,84, das Atomgewicht ist 55,9. Es ist das härteste aller dehnbaren Metalle, läßt sich bei Weißglut schweißen, bröckelt aber bei höherer Temperatur unter dem Hammer. Reduziert man Eisenoxyd oder Eisenchlorür durch Wasserstoff, so erhält man reines E. als schwarzes Pulver, welches an der Luft verbrennt, durch stärkeres Erhitzen aber diese Eigenschaft verliert (Ferrum hydrogenio reductum) und dann eine grauweiße, schwammige Masse bildet. Das E. wird vom Magnet angezogen

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 5. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 423. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b5_s0423.jpg&oldid=- (Version vom 29.4.2024)