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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

war, hatte die absolute Feuchtigkeit doch einen Wert, der gleich dem der feuchten Winterluft im westlichen Europa ist, wobei aber die relative Feuchtigkeit 80 bis 90 Proz. beträgt.

Die relative Feuchtigkeit übt sowohl auf die Vegetation als auch auf Menschen und Tiere einen eingreifenden Einfluß aus. Sie bestimmt das, was man die Evaporationskraft des Klimas nennt, und welche die Stärke der Verdunstung bedeutet, mit der das Wasserbedürfnis der Organismen proportional ist. Freilich ist dabei die relative Feuchtigkeit allein nicht maßgebend, sondern es müssen außerdem auch noch die Temperaturverhältnisse berücksichtigt werden. So ist eine relative Feuchtigkeit von 30 Proz. bei 25° Luftwärme weder klimatisch gleichwertig mit einer von 30 Proz. bei −10°, noch übt sie in diesen beiden Fällen dieselbe Wirkung auf den Organismus aus. Auch in Bezug auf die Evaporationskraft der Luft kann aus der relativen Feuchtigkeit allein ohne Berücksichtigung der vorhandenen Temperatur nicht geschlossen werden, und wenn oben gesagt ist, daß in der Jahresperiode der Mai die geringste relative Feuchtigkeit besitzt, so kann die oft daraus abgeleitete Folgerung, daß der Mai der trockenste Monat ist und nicht der Juli, sich eben nur ergeben, wenn die gleichzeitig herrschende Temperatur unberücksichtigt gelassen wird.

Um die Wirkung der Feuchtigkeitsverhältnisse auf den Organismus unabhängig von der Lufttemperatur bestimmen zu können, ist von Flügge das Sättigungsdefizit in die Hygiene eingeführt und von Deneke weiter benutzt worden, doch ist auch bei ihm derselbe Wert für verschiedene Temperaturen nicht gleichwertig. So sind unsre heitern Wintertage bei strengem Frost und frischen nördlichen oder östlichen Winden als trocken zu charakterisieren, während im Sommer die Tage mit hoher Temperatur und schwüler Luft als feucht zu bezeichnen sind. Trotzdem ist das Sättigungsdefizit an den erstern kleiner als an den letztern und würde ebenso wie die relative Feuchtigkeit erst einen richtigen Einblick in die Feuchtigkeitsverhältnisse der Luft geben, wenn gleichzeitig auf die Temperatur Rücksicht genommen wird. Nichtsdestoweniger kann nicht geleugnet werden, daß die Einführung des Sättigungsdefizits einen Fortschritt bedeutet, und daß es zweckmäßig sein dürfte, dasselbe namentlich bei den Untersuchungen über die Wirkung der Luftfeuchtigkeit auf den Organismus in Betracht zu ziehen.

Welche Bedeutung das Sättigungsdefizit auch in klimatologischer Beziehung besitzt, ist aus der Anwendung ersichtlich, welche Hugo Meyer bei einer Untersuchung des Föhn zu Bludenz von demselben gemacht hat. Wenn auch die Temperatursteigerung beim Winterföhn größer ist als beim Sommerföhn, so wirkt dieser doch viel stärker austrocknend als jener. Nach der Abnahme der relativen Feuchtigkeit, welche beim Winterföhn größer als beim Sommerföhn ist, könnte man glauben, daß die Evaporationskraft beim Föhn im Winter größer sein müßte als im Sommer. Das Sättigungsdefizit beweist aber gerade das Gegenteil, denn dieses besitzt beim Sommerföhn die größern Werte. Trotzdem folgt daraus aber durchaus nicht, daß der Föhn im Sommer dem Menschen lästiger sein muß als im Winter, was in der That in den meisten Fällen nicht der Fall ist, weil sich in der wärmern Jahreszeit der Körper an ein höheres Sättigungsdefizit und an größere Schwankungen desselben gewöhnt hat und daher für seine Wirkungen weniger empfänglich sein wird.

Luftmaschine (Druckluftmaschine). Riedlers Berichte über die Pariser Druckluftanlage haben eine ganze Reihe von neuen Luftmaschinen gezeitigt, welche eine möglichst gute Ausnutzung der Druckluft gestatten sollen. E. Josse und J. Rosing wollen bei ihrer Maschine die Eisbildung verhindern und eine Verminderung des Luftverbrauchs dadurch herbeiführen, daß sie Gas mit Hilfe der arbeitenden Druckluft verbrennen lassen. Die Druckluft, die vor dem Eintritt in den Cylinder zur Kühlung des Verbrennungsraumes gedient und sich dabei erwärmt hat, wird bei einer bestimmten Füllung des Cylinders abgesperrt und wirkt nun durch Expansion. Bevor aber diese Expansion soweit vorgeschritten ist, daß die Temperatur bis zur Eisbildung heruntergeht, wird der Druck und die Temperatur der Luft noch einmal bedeutend erhöht, worauf eine nochmalige Expansion eintritt, unter deren Einfluß der Kolben bis zum Ende seines

Prölls Verbundluftmaschine.

Hubes gebracht wird. Die der zweiten Expansionsperiode vorausgehende Temperaturerhöhung schützt vor Eisbildung und wird zugleich mit der Drucksteigerung dadurch herbeigeführt, daß man ein luftarmes Gasgemisch in den Cylinder einführt und mit der in diesem befindlichen Luft zur Verbrennung bringt. Zur Ausführung dieses Vorganges dient die Steuerung. Diese besteht aus zwei Schiebern, welche außer der Verteilung der Druckluft und der Zuführung des Gases auch dessen Entzündung bewirken. R. Pröll in Dresden hat verschiedene Konstruktionen der L. angegeben, von denen die in obiger Figur abgebildete (D.R.-P. Nr. 53,581) gestattet, nach Art der Verbunddampfmaschinen die Luft in zwei Stufen expandieren zu lassen. Zu dem Zwecke hat sie übereinander angeordnet zwei einfach wirkende Cylinder, einen kleinen A, in welchen die Luft vom Schieberkasten K aus zuerst eintritt, um unter geringer Expansion die beiden miteinander verbundenen und mittels einer Kreuzschleife auf die Kurbel C der Schwungradwelle S wirkenden Kolben abwärts zu treiben, und einen größern B, in welchen die Luft von A aus durch den Schieber F hindurch eintritt, um weiter zu expandieren und die Kolben wieder aufwärts zu treiben.

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 593. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0607.jpg&oldid=- (Version vom 13.5.2024)