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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

man sich gegenwärtig zu halten, daß die Wechselbeziehungen der verschiedenen Eigenschaften (korrelative Variabilität) die Unvereinbarkeit (Inkompatibilität) gewisser Vorzüge in einen Typus bedingen. Gerade die wertvollsten Eigenschaften lassen sich in einer Sorte nicht vereinigen, weil dieselben zu einander in einem innern, physiologisch begründeten Gegensatz stehen. Dazu kommt, daß die höchste Leistung nur unter den passendsten Wachstumsbedingungen zu erzielen ist. Es wird daher eine anspruchsvolle Gerstensorte auf dürftigem Boden oder eine genügsame Gerstensorte auf fruchtbarem Boden gleich ungünstige Erträge bringen; dagegen wachsen wenig anspruchsvolle Pflanzen noch auf Bodenarten, auf welchen anspruchsvolle Pflanzen versagen, die sonst unter günstigen Vegetationsverhältnissen auffallend hohe Erträge gewähren. Vgl. Rimpau, Kreuzungsprodukte landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (Berl. 1891).

Gewerbesteuer in Preußen (Gesetz vom 24. Juni 1891). Die preußische G., welche mit ihrer Bildung von Steuergesellschaften seither schon andern Ländern gegenüber eine Sonderstellung eingenommen hatte, ist neuerdings in einer Weise umgeändert worden, daß sie auch in der neuen Gestalt sich wesentlich von den Gewerbesteuern andrer Staaten unterscheidet. Die Grundlage der zur Zeit noch bestehenden Besteuerung bildet das Gesetz vom 30. Mai 1820, das es hauptsächlich darauf abgesehen hatte, „den lohnenden Gewerbebetrieb zu treffen, welcher sich in den großen und in den nahrhaften mittlern Städten vereinigte“. Die Besteuerung sollte darum auf solche Gewerbtreibende beschränkt werden, welche „teils neben den persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten noch ein bestehendes Kapital in ihrem Betriebe benutzen, teils der Erfahrung nach einen ebenso sichern wie schnellen Gewinn abwerfen, teils eine besonders große und für das Volk im ganzen keine besonders günstige Konkurrenz darbieten“. Dem entsprechend wurden nicht alle stehenden Gewerbe der Steuer unterworfen, sondern die zu besteuernden Gewerbe in zehn besondere Klassen zusammengefaßt, nämlich Handel mit kaufmännischen Rechten und ohne solche, Gast- und Schankwirte, Bäcker, Fleischer, Brauer, Brenner, Handwerker, Müller, Fuhrleute und Schiffer. In die Handelsklassen wurden zugleich alle Fabrikbetriebe und überhaupt alle Verfertigung von Waren auf den Kauf, mit Ausnahme derjenigen der Handwerker, verwiesen. Doch hatte sich später die Spezialisierung der Klassen selbst in dem geringen Maße, wie sie im Gesetz durchgeführt war, nicht bewährt. Nachdem die Brenner infolge der Einführung der Maischraumsteuer von der G. befreit worden waren, wurden allmählich sowohl die Brauer als die Bäcker und Fleischer und schließlich auch die Müller in die Handelssteuerklassen aufgenommen; nur die geringsten Mühlenbetriebe wurden mit den Handwerkern besteuert. Die Zahl der voneinander unterschiedenen Gewerbearten war also, abgesehen von der Klasse der Fuhrleute und Schiffer, auf drei vermindert worden, nämlich: 1) Handel (einschließlich der Fabrikation etc.), 2) Handwerk (einschließlich der geringen Mühlen), 3) Gast- und Schankwirtschaft (einschließlich des Vermietens möblierter Zimmer, der Speisewirtschaft etc.). In diesen drei Gattungen werden die Gewerbe übereinstimmend nach Mittelsätzen besteuert und diese Mittelsätze nach der Größe und Gewerbsamkeit der Betriebsorte abgestuft. Nach letztern Merkmalen sind vier Gewerbesteuerabteilungen gebildet, jede mit den Klassen AII, B, C und H. Die Besteuerung der Handelsgewerbe erfolgt nicht in einer, sondern in drei verschiedenen Klassen, indem Betriebe von bedeutendem Umfang in einer besondern Klasse AI, Betriebe von mittlerm Umfange in Klasse AII und Betriebe geringster Art in Klasse B besteuert werden sollen.

Die frühere Einteilung erwies sich aber im Laufe der Zeit den gänzlich veränderten gewerblichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gegenüber als unhaltbar. Die Bildung von Ortsklassen, die auch in der Gewerbesteuergesetzgebung andrer Länder eine Rolle spielt, hat ihre frühere Bedeutung verloren, nachdem die Entwickelung des Verkehrs Umfang und Erfolg einer großen Anzahl von Unternehmungen von der Größe oder der allgemeinen Betriebsamkeit des Ortes oder des Bezirkes, wo der Betrieb stattfindet, unabhängig gemacht hat. Bei den kleinen Betrieben würde die Unterscheidung nach Ortsklassen allerdings noch am Platze sein. Doch ist es trotzdem nicht nötig, Ortsklassen zu bilden, weil diese kleinen Betriebe fortan von der G. befreit oder doch nur in geringem Maße zu derselben herangezogen werden. Ein weiterer Mangel der Klassifizierung besteht darin, daß eine Reihe von gewerblichen Unternehmungen, welche sich in keine der bestimmten Klassen einreihen lassen, von der G. überhaupt nicht getroffen werden, und daß andre Gewerbebetriebe gleichzeitig unter verschiedene Klassen fallen und in diesen besteuert werden müssen, obwohl es sich keineswegs dabei um völlig getrennte, für sich bestehende Betriebe handelt. Dann wurde es im Laufe der Zeit immer schwerer, eine bestimmte Grenze zwischen der Handwerker- und der Handelssteuerklasse zu ziehen, und bei der Unbestimmtheit der Merkmale für die Verteilung der Steuerpflichtigen in die drei Handelssteuerklassen eine gleichmäßige Abgrenzung dieser Klassen im ganzen Umfang des Staates vorzunehmen. Als ein besonderer Übelstand aber wurde es empfunden, daß die G. die schwachen, weniger leistungsfähigen Betriebe zu hart treffe, während sie die großen, gewinnreichen Betriebe mit einer unverhältnismäßig geringen Steuer belege, daß jene demnach in dem für sie ohnedies fchon schwierigen Wettkampf mit Fabriken und großen Handelsgeschäften noch künstlich durch Ungleichmäßigkeit der Besteuerung beschwert würden. So stellte sich nach einer 1884 von der Regierung an das Abgeordnetenhaus gemachten Mitteilung die gezahlte G. bei zwei größern Bankgesellschaften auf 0,13 und 0,05 Proz. der zur Verteilung gelangten Dividenden, bei einer andern Gesellschaft auf 0,51 Proz., bei einem Gewerbtreibenden der Klasse AII (Handel) war sie gleich 2,22 Proz., bei einem andern 4,25 Proz. von dem einkommensteuerpflichtigen Einkommen desselben, ja in einigen Fällen selbst 7 Proz.

Das Hauptbestreben war darum darauf gerichtet, eine gerechtere Verteilung der Steuerlast herbeizuführen und die kleinen Betriebe zu entlasten, ohne gerade die großen allzu stark in Anspruch zu nehmen. Ein Schutz gegen Überlastung dieser großen Betriebe aber soll dadurch geboten werden, daß nicht allein für dieselben ein unüberschreitbarer Steuerfuß, sondern auch ein Höchstmaß für das gesamte aufzubringende Steuersoll festgesetzt wird. Einen die einzelnen Gewerbsarten besonders aufführenden und für jede die Besteuerung nach den für sie ausgewählten Merkmalen regelnden Gewerbesteuertarif dem Gesetz beizugeben, wurde nicht für zweckmäßig erachtet. Denn schon die unerschöpfliche Mannigfaltigkeit

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 393. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0407.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2024)