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die Listen der Landammänner verfolgen, die da in einer solchen Schweizer Demokratie alten Stils durch fünfzig oder sechzig Jahre hindurch gewählt wurden, so werden Sie finden, daß es auffallend häufig dieselben waren oder daß doch bestimmte Familien diese Aemter von alters her in der Hand hatten, daß also zwar eine Demokratie im Rechte bestand, diese Demokratie aber tatsächlich aristokratisch verwaltet wurde. Und zwar aus dem ganz einfachen Grunde, weil das Amt etwa eines Landammannes nicht jeder Gewerbetreibende übernehmen konnte, ohne sich in seinem Gewerbe zu ruinieren. Er mußte im wirtschaftlichen Sinne „abkömmlich“ sein und das ist in der Regel nur ein Mann von einigem Vermögen. Oder man muß ihn hoch bezahlen und durch Pension versorgen. Die Demokratie hat nur die Wahl: entweder billig durch reiche Leute im Ehrenamt verwaltet zu werden oder teuer durch bezahlte Berufsbeamte. Dieses letzte: die Entwicklung eines Berufsbeamtentums, ist nun aber das Schicksal aller modernen Demokratien da geworden, wo das Ehrenamt nicht ausreichte: in den großen Massenstaaten. Das ist die augenblickliche Situation Amerikas. Der Theorie nach ist dort die Sache ähnlich wie in der Schweiz. Gewählt wird, wenn auch nicht durch Landesversammlungen, so doch nach direktem oder indirektem gleichen Wahlrechte, ein großer Teil der einzelstaatlichen Beamten und für die ganze Union: der Präsident. Der Präsident ernennt die anderen Beamten der Union. Man hat dabei die Erfahrung gemacht, daß die vom gewählten Präsidenten ernannten Beamten an Qualität der Leistung und vor allen Dingen an Unbestechlichkeit im ganzen hoch über denjenigen Beamten stehen, die aus den Volkswahlen hervorgehen, weil der Präsident und die hinter ihm stehende Partei selbstverständlich von den Wählern dafür verantwortlich gemacht werden, daß die Beamten, die sie ernennen, wenigstens irgendwie auch die Qualitäten haben, die der Wähler erwartet.

Diese amerikanische Demokratie nun, die auf dem Grundsatze beruht, daß alle vier Jahre, wenn der Präsident wechselt, auch die über 300.000 Beamten, die er zu ernennen hat, wechseln und daß alle vier Jahre alle governors jedes einzelnen Staates und mit ihnen wiederum viele Tausende von Beamten wechseln — diese Demokratie geht ihrem Ende entgegen. Das war eine Verwaltung durch Dilettanten; denn diese Beamten, die da von der Partei bestellt

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Max Weber: Der Sozialismus, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Max_Weber_-_Der_Sozialismus_Seite_05.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)