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Was ihre Augen wünschten, fand hier Trudchen, und alle Tage wurden unter immer neuen Vergnügungen und Lustbarkeiten zugebracht. Das gefiel Trudchen, und sie wäre ganz glücklich gewesen, wenn sie nicht jedes Mal ein heimliches Grauen empfunden hätte, so oft sie den blauen Bart des Königs ansah. Doch wußte ihr Aennchen immer wieder zuzureden, und da sie in beständigen Zerstreuungen und Lustparthieen lebte, so waren die widrigen Eindrücke auch nur von kurzer Dauer.

Drei bis vier Wochen mochte dies lustige Leben so gewährt haben, als eines Tages der König Blaubart zu seiner jungen Gemahlinn sagte: „Ich muß verreisen, und dich auf einige Zeit verlassen. Hier hast du die Schlüssel zu allen Gemächern im Schlosse, zu den Gewölben, Kellern, Speichern und Kammern. Hüte sie wohl, daß du keinen verlierst. Ganz vorzüglich aber nimm diesen kleinen goldenen Schlüssel in Acht. Alle Thüren im ganzen Hause magst du aufschließen, nur die Kammerthüre nicht, wozu dieser kleine goldene Schlüssel paßt; merke dir das recht, und höre auf meine Worte, wenn dir dein Leben lieb ist.“

Trudchen versprach, Alles zu thun, wie er es verlange, und sich der verbotenen Kammer nicht zu nahen, noch weniger sie zu berühren.

Als nun Blaubart abgereis’t war, öffnete sie nach und nach alle Gemächer und Kammern, die ihr nicht verboten waren. Welche Menge von Reichthümern und Schätzen erblickte sie da! Ganze Haufen waren hier von Silber, dort von Golde, viele sogar von Perlen und Edelsteinen aufgeschichtet. Andere Zimmer waren vollgehängt von ausgelegten Waffen, Purpurkleidern, Hermelin und Sammt und Seide. Ueberall lagen die schönsten Teppiche ausgebreitet, Kronenleuchter schimmerten im wunderbarsten Glanze, und an den Wänden herum hingen ungeheure Spiegel, in