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Selene [Mondgöttin]. Wie mir aber Einer der Priester angab, so ist dieß ein Tempel der Europa, der Schwester des Cadmus, und Tochter des Königs Agenor. Denn nachdem sie unsichtbar geworden war, hätten sie die Phönicier mit einem Tempel geehrt, und erzählten nun die heilige Sage, daß Jupiter um ihrer Schönheit willen ihrer begehrt, und in Gestalt eines Stieres sie entführt und nach Creta getragen habe. Diese Sage habe ich auch von den übrigen Phöniciern gehört, und die Münzen, deren sich die Sidonier bedienen, zeigen die Europa, sitzend auf dem zum Stier gewordenen Jupiter. Daß aber der Tempel der Europa heilig sey, darin stimmen sie nicht überein.

5. Auch haben die Phönicier noch einen andern Tempel, nicht Assyrischen, sondern Aegyptischen Ursprungs, dessen Dienst aus Heliopolis [der Sonnenstadt] nach Phönicien gekommen war. Ich habe ihn nicht selbst gesehen: er ist aber ebenfalls groß und uralt.

6. Ich sah aber auch in Byblus ein großes Heiligthum der Venus Byblia, in welchem sie die Mysterien des Adonis feiern. Diese Mysterien habe ich selbst kennen gelernt. Sie sagen nämlich, die Geschichte mit Adonis und dem wilden Eber habe sich auf ihrer Feldmarke zugetragen, weswegen sie das Andenken dieses Unglückes alljährlich mit der Mysterienfeier begehen, wobei sie wehklagen, sich mit Fäusten schlagen, und große Trauer über die ganze Gegend verbreiten. Wenn sie aber das Wehklagen und Bejammern eingestellt haben, so opfern sie erst dem Adonis als einem Todten; am folgenden Tage aber sagen sie, daß er wieder lebendig geworden sey,

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1721. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1721.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)