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wie ihren Besitzer gleich sehr beschimpfte? Merkst du denn nicht, daß es dir gerade eben so ergeht, wenn du eine herrliche Rolle von purpurfarbenem Pergament mit goldenen Knöpfen in den Händen hältst und durch dein barbarisches Vorlesen Alles so schmachvoll verdirbst, daß die Gebildeten deiner spotten, und deine Schmeichler zwar in’s Gesicht dir Beifall zollen, von Zeit zu Zeit aber sich umwenden müßen, um ihr Lachen zu verbergen?

8. Ich muß dir doch ein Geschichtchen[WS 1] erzählen, das sich einst zu Delphi bei den Pythischen Spielen zutrug. Ein gewisser Evangelus aus Tarent, ein Mann von einigem Ansehen in seiner Vaterstadt, ließ sich einst beikommen, zu Delphi einen Preis davon tragen zu wollen. Daß Dieß nun in den gymnischen Wettkämpfen für ihn nicht wohl thunlich sey, sah er sogleich ein, da er von der Natur weder mit Stärke noch mit Behendigkeit sonderlich begabt war. Allein daß ihm in Gesang und Zitherspiel der Sieg um so leichter werden würde, hatte er sich von einigen leichtfertigen Burschen weiß machen lassen, die gewöhnlich in seiner Gesellschaft waren, und jedesmal, wenn er auch nur ein Paar ganz unbedeutende Griffe gemacht hatte, in ein unmäßiges Beifallsgeschrei ausbrachen. Er erschien also zu Delphi in einem äußerst glänzenden Aufzuge, in einem goldgestickten Gewande, das er sich eigens dazu hatte verfertigen lassen, mit einem herrlichen Lorbeerkranz aus lauterem Golde, woran die Beeren in natürlicher Größe von Smaragd waren. Besonders aber war seine Zither ein wahres Wunder von Pracht und

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Geschichten
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1422. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1422.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)