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keineswegs, ein Verdammungsurtheil über die Orchestik überhaupt auszusprechen, oder einen Haß auf ihre Leistungen zu werfen: sondern wir haben jene Menschen für Das, was sie sind, für Stümper zu halten, und dagegen Denen, welche streng nach den Regeln der Kunst alle ihre Bewegungen ausführen, unsern vollen Beifall zu schenken.

81. Um nun Alles zusammen zu fassen, so muß der mimische Tänzer ein Mann von einer nach allen Seiten vollendeten Bildung seyn, so daß sein ganzes Spiel schön, harmonisch, wie aus Einem Gusse, ein fleckenloses, in allen seinen Theilen vortreffliches Ganze sey, an welchem auch der böswilligste Krittler nichts zu tadeln finde. Zu dem Ende sind eine lebhafte Einbildungskraft, umfassendes Wissen, und ein ächt menschliches Gefühl die wesentlichsten Erfordernisse. Und den vollständigsten Triumph wird der Pantomime nur dann feiern, wann Jeder der Zuschauer in den dargestellten Charakteren sich selbst wieder findet, wann er in ihnen, wie in einem Spiegel, sein eigenes Ich, und wie er zu empfinden und zu handeln pflegt, anzuschauen glaubt. Dann ergreift das Vergnügen, die Bilder ihres eigenen innern Lebens zu erblicken, die Zuschauer so mächtig, daß sie nicht mehr an sich zu halten wissen, sondern insgesammt in die lebhaftesten Beifallsbezeugungen sich ergießen. Und so wird ihnen durch dieses Schauspiel recht eigentlich jenes Delphische Erkenne dich selbst zu Theil: sie verlassen das Theater unterrichtet über Das, was sie zu wählen und zu vermeiden haben, und belehrt über Vieles, was sie zuvor nicht wußten.

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 901. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0901.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)