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erdichteten Antworten immer etwas Wahrscheinliches[1] zu leihen wußte. Uebrigens waren diese meist geschraubt und doppelsinnig, etliche auch gänzlich unverständlich, weil er hierin ganz nach Prophetenart verfahren zu müßen glaubte. Sie enthielten, je nachdem es ihm gut dünkte, bald Warnungen, bald Aufmunterungen. Auch verordnete er, weil er, wie ich oben bemerkte, viele ärztliche Kenntnisse besaß, Heilmittel und Verhaltungsweisen: ganz besonders viel aber hielt er auf seine Cytmis, mit welchem selbstgemachten Worte er eine gewisse, aus Ziegenschmalz bereitete, stärkende Salbe benannte. Fragte man ihn um gehoffte Glücksfälle, reichliche Gewinnste, Erbschaften und dergleichen, so wurde der Frager jedesmal auf die Zukunft verwiesen, indem der Gott hinzusetzte: „es wird schon kommen, wenn ich will, und Alexander, mein Prophet, seine Fürbitte einlegt.“

23. Der festgesetzte Preis für jeden Spruch war eine Drachme und acht Obolen [35 kr.]. Glaube nicht, mein Freund, daß sein Einkommen darum gering gewesen sey. Jedes Jahr brachte er seine siebenzig bis achtzig tausend Drachmen zusammen: denn die Menschen waren so unersättlich begierig nach Orakeln, daß sie sogar zehen und fünfzehn Fragen auf einmal einreichten. Uebrigens fielen diese Gelder nicht alle in seinen Sack, sondern er hatte eine Menge Gehülfen um sich, Aufwärter, Kundschafter, Spruchmacher, Aufbewahrer [der geschriebenen Sprüche], Protocollführer, Versiegler, Ausleger, welchen Allen er einen verhältnißmäßigen Sold zahlen mußte.


  1. ἐικός.
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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 836. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0836.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)