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ein schmächtiges, dürftiges Körperchen, das aussieht, wie Amor auf dem bekannten Gemälde, wo er sich zum Zeitvertreib die ungeheure Larve eines Herkules oder Titanen auf den Kopf gesetzt hat. Was Wunder, wenn die Zuhörer dem Autor das bekannte Sprüchlein zurufen: „Es kreißt ein Berg –?“[1] Denn es muß doch, sollte ich denken, Ebenmaß und Einheit in den Verhältnissen, so wie im Tone des Ganzen seyn; der übrige Körper muß mit dem Haupte harmoniren, sonst entsteht das lächerliche Bild eines Kriegers, dessen Helm aus Gold gearbeitet, der Brustpanzer aus allen möglichen Lumpen oder alten Lederflecken zusammengeflickt, der Schild aus Flechtwerk, und die Beinschienen aus Schweinshaut geschustert sind.

So wie es nun solche Schriftsteller zur Genüge giebt, die einem zwerghaften Körperchen den Kopf des rhodischen Colosses aufsetzen, so fehlt es hinwieder auch nicht an solchen, welche Körper ohne Kopf zu Tage fördern, das heißt, ohne allen Eingang sogleich auf die Sache selbst los gehen. Diese meinen es mit Xenophon zu halten, weil er [seine Anabasis] mit den Worten anfängt: „dem Darius waren von der Parysatis zwei Söhne geboren worden.“ Wirklich beginnen auf ähnliche Weise noch mehrere der alten Geschichtwerke. Allein die guten Leute wissen nicht, daß es eine Art von Einleitungen giebt, die der große Haufe freilich nicht dafür ansieht, und die nichts destoweniger ihrer Wirkung


  1. Bekannt ist Horazens: „Siehe, es kreiset ein Berg und gebiert – ein possirliches Mäuschen.“ Dichtk. v. 139.
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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 656. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0656.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)