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je mehr ausgeschöpft wird, desto mehr fließt zu; und wie das Danaïdenfaß, goß man auch noch so viel in dasselbe, immer leer blieb, so wird dieses, des Ausschöpfens ungeachtet, nur immer voller.

61. Ich will dir dieses Kosten der Philosophie noch an einem zweiten Gleichniß versinnlichen: nur glaube ja nicht, daß ich die Philosophie lästern wolle, wenn ich sie mit irgend einem sehr schädlichen Gifte, etwa mit Schierling oder Wolfsmilch u. s. w. vergleiche. So gewiß es ist, daß diese Gifte tödtlich sind, so stirbt man doch nicht davon, wenn man nur so viel, als auf die äußerste Spitze des Nagels geht, davon kostet, und sie nicht in nöthiger Quantität, auf die rechte Art bereitet, und in der gehörigen Verbindung zu sich nimmt. Du hingegen meintest, das kleinste Theilchen dürfe nur genommen werden, um die Wirkung des Ganzen zu erfahren.

62. Hermotimus. Mag dem immerhin so seyn: aber was folgt daraus? Muß man also nothwendig hundert Jahre alt werden, und während dieser ganzen Zeit mit den mühseligsten und weltläuftigsten Studien sich placken, oder soll man gänzlich auf die Philosophie verzichten?

Lycinus. Ich dächte, das Letztere, Hermotimus: und wir müssen uns darüber zu trösten wissen, wenn anders wahr ist, was du gleich anfangs sagtest, daß das Leben kurz, die Kunst lang sey. Ich kann gar nicht begreifen, wie du auf einmal darüber so ungehalten seyn kannst, daß es dir versagt ist, in Einem Tage, noch vor Sonnenuntergang, ein Chrysipp, Plato oder Pythagoras zu werden.

Hermotimus. Du willst mich nur in die Enge treiben und fangen, Lycinus. Warum so unfreundlich gegen

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 573. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0573.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)