Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wird. Große Herren haben der Ohren und Augen gar zu viele, und Augen, die nicht blos sehen, was wirklich ist, sondern, um zu zeigen, daß sie nie schlummern, noch mehr, als das, gesehen haben wollen. Es muß dir also seyn, als befändest du dich an der Tafel eines Persischen Großen: du mußt mit immer niedergeschlagenen Augen dasitzen, aus Furcht, einer der Verschnittenen möchte einen Blick erlauschen, den du auf eine der Beischläferinnen des Herrn wärfest, und ein Zweiter, der schon mit gespanntem Bogen in Bereitschaft steht, möchte den frevelhaften Blick mit einem Pfeilschuß in deinen Backen, während du trinkest, bestrafen.

30. Die Tafel wird aufgehoben, du entfernst dich, schläfst ein wenig; aber mit dem ersten Hahnenruf wachst du wieder auf, und nun gehen deine Klagen an: “Ach ich armer, bejammernswürdiger Mensch! Warum verließ ich mein früheres angenehmes Leben, meine Studien, meine Muße, meine Freunde, die goldene Freiheit, zu gehen wie und wohin ich wollte, und zu schlafen, so lange ich Lust hatte! warum entsagte ich diesem Allem, um mich selbst in diesen Abgrund zu stürzen! Und Was ist mir dafür geworden, ihr Götter! Wo ist denn nun mein glänzender Lohn? Könnte ich nicht Alles, was ich hier habe, und noch weit mehr als Das, auch auf andere Weise erwerben, und dabei meine Freiheit und Unabhängigkeit bewahren? Nun bin ich, wie das Sprüchwort sagt, der Löwe am Zwirnfaden, der sich nach Belieben hin und her ziehen lassen muß. Und was mein Ungemach vollendet: ich weiß mich eben so wenig in Ansehen zu setzen, als beliebt und gefällig zu machen. Denn in den Künsten, welche zu diese Zwecke führen, bin ich ein Stümper gegen die

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 471. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0471.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)