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sich bei Clymene zu verspäten und seines Laufes zu vergessen? Mit mir, deiner Mutter, treibst du ohnehin allen Muthwillen ungescheut. Nun hast du es vollends, du vermessener Bube, bei der alten grauen Göttermutter Rhea dahin gebracht, daß sie sich noch in einen Knaben, den Phrygier Attis, verlieben muß! Die ist nun ganz rasend, hat ihre Löwen einspannen lassen, und ihre Corybanten, die sie gleichfalls toll gemacht hat, mit sich genommen, und schwärmt nun mit ihnen den ganzen Ida auf und ab. Sie heult um ihren Attis: von ihren Corybanten zerfetzt sich einer die Arme mit dem Schwerte, ein anderer rast mit fliegenden Haaren über Berg und Thal; wieder andere blasen auf Hörnern und pauken auf Trommeln und Kesseln los: kurz es ist ein so wilder Spektakel auf dem ganzen Gebirge, daß mir bange ist, die Rhea möchte in einem solchen Anfall von Raserei, oder vielmehr, wenn sie wieder bei sich ist, den Corybanten befehlen, dich, du unheilvolles Kind, zu greifen und zu zerreißen, oder ihren Löwen vorzuwerfen. Wahrhaftig, ich sehe dich mit Schrecken in dieser Gefahr.

2. Amor. Beruhige dich, liebe Mutter. Ich habe mich auch schon mit ihren Löwen befreundet, steige ihnen auf den Rücken, fasse sie an der Mähne, und leite sie, wohin ich will: sie schmeicheln mir und lecken mir die Hand, die ich ihnen ohne Schaden in den Rachen stecke. Die Rhea aber, wo sollte diese Zeit herbekommen, mich zu verfolgen, da sie so ganz in ihrem Attis lebt? – Am Ende, thue ich denn etwas Unrechtes, wenn ich Euch das Schöne vor Augen bringe, so wie es ist? Ihr dürfet ja nur keine Begierde darnach aufkommen lassen. Thut ihr es, so beschuldiget nicht

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0145.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)